Am Abend half Kira William in der Küche. Sie war mittags eine Weile im Garten gewesen, wo er sie aufgestöbert hatte. Aufstöbern war hierbei auch genau das richtige Wort angesicht der Mengen an Schnee, die derzeit vom Himmel fielen. Kira hatte es nicht bemerkt, weil sie sich darauf konzentriert hatte, Magie zu sich zu ziehen. Im Schnee fühlte sich die Magie wie die Luft etwas kälter an, aber hier draußen konnte sie keine Beschränkungen wie drinnen spüren. Es waren einfach die doofen Wände, durch Wände konnte nichts fließen und man konnte da auch nicht durchgreifen. Es frustrierte sie, dass Mitras so tat, als sei es das Einfachste der Welt, magisch durch eine Wand zu greifen. Es machte doch auch viel mehr Sinn, dass Wände Dinge beschränkten! Während sie darüber noch nachdachte, hatte plötzlich William neben ihr gestanden und sie gefragt, ob es Probleme gäbe, dass sie sich zuschneien ließe. Sie hatte ihm ihr Leid geklagt, und auch, wenn er nicht wirklich irgendwas davon zu verstehen schien, schlug er ihr vor, ihm abends lieber bei der Erstellung von Schneeflocken zu helfen, statt sich diese in den Kragen rieseln zu lassen. Also stand sie nun mit ihm in der Küche und füllte einen weißen, weichen und fluffigen Teig in kleine Förmchen, die aussahen wie Schneeflocken. Zumindest behauptete William, dass Schneeflocken, wenn man sie mit einer Linse anguckte, so sechseckig wären. Sie hatte den Nachmittag über über die Fauna des Landes gelesen und so unterhielten sie sich über die verschiedenen Tiere, die es rings um Uldum gab. William war auch schon viel im Land herumgekommen und hatte viele verschiedene Tiere, auch magische, gesehen, und Kira hörte ihm neugierig zu, während sie langsam ihre Sorgen über das schlechte Magiegreifen im Labor verdrängte.
„Was ist denn dein Lieblingstier?“, fragte William neugierig. Kira dachte nach. „Hmm, ich mag das Meer nicht so, aber Delphine sind schon ziemlich toll, sie können sogar mit nichtmagischen Menschen reden. Eulen finde ich auch spannend, die können nach hinten gucken. Hmm… aber ich glaube, meine Lieblingstiere sind Wölfe. Es gibt in Burnias einige Wolfsrudel, angeblich soll es sogar magische Wölfe weiter oben im Norden geben. Das sind so majestätische Tiere!“ William nickte. „Ja, aber auch gefährlich. Ich bin da lieber etwas harmloser, ich mag Pferde – das liegt wohl in der Familie, wir ziehen alle gern übers Land, das liegt eben im Blut, und Pferde sind die wichtigsten Begleiter der Inuk.“ Kira sah ihn neugierig an. Er hatte bisher noch nicht viel darüber erzählt, wo er herkam, auch wenn sie den Erzählungen von ihm und Mitras wohl entnommen hatte, dass er dem fahrenden Volk entstammte. Sie traute sich nicht, ihn weiter danach zu fragen, und fragte stattdessen: „Und was ist mit Mitras?“ William dachte kurz nach. „Ich glaube, er mag Katzen, Frettchen und Angora-Drachen. Das ist die kleinste Drachenart überhaupt und die einzige Flug- und Elementardrachenart, die noch in von Menschen besiedelten Gebieten leben. Sie erinnern in ihrer Gestalt an Otter, sind aber noch ein bisschen größer. Je nach Unterart haben sie, wie alle Elementardrachen entweder einen Eisatem oder einen Feueratem, und Mitras ist wohl mal einem mit Eisatem begegnet. Die großen Drachen findet er aber auch sehr interessant. Und außerdem, aber erwähn das bloß nicht und erst recht nicht, dass du das von mir weißt, hat er eine Schwäche für Eichhörnchen. Diese pelzigen Nager versetzen ihn in regelrechte Verzückung, wenn er mal eins sieht. Das würde er aber nie zugeben.“ Kira spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoß und sie beugte sich tiefer über das Blech, damit William es nicht merkte. Er hatte sie nach einem seiner Lieblingstiere benannt? Eines, dass ihn in Verzückung versetzte? Die Erinnerung an seine Hand, die über ihren Nacken strich, kehrte schlagartig zurück, und sie zitterte ein wenig mit der Spritztüte. „Alles in Ordnung?“ „Ja, alles klar, ich hab nur gekleckert.“ Rasch holte sie einen Lappen. Reiß dich zusammen, Kira. Er ist dein Mentor. Und ein Mann. Hör auf, solche Gedanken zu haben!
Mitras hatte Kira beim Abendessen beobachtet, aber es schien ihr wieder gut zu gehen. Trotzdem fragte er sie wegen des Ladens: „Geht es dir wieder besser? Ich kann sonst auch allein laden, wenn du dich noch zu schwach fühlst.“ Kira schüttelte den Kopf. „Nein, alles gut. Ich hab draußen gesessen und es war gar kein Problem, Magie zu greifen. Es ist wirklich nur die doofe Wand im Labor, beim Generator hatte ich auch noch nie Probleme.“ „Gut, dann werden wir es versuchen, aber sobald du merkst, dass etwas nicht stimmt, unterbrechen wir.“ Sie nickte eifrig. Mitras nickte und öffnete ihr die Tür zum Garten. Der Schneefall hatte aufgehört und die beiden Monde standen klar am Himmel. Mit einer leichten Handbewegung wischte Mitras den lockeren Schnee auf dem Weg beiseite, während Kira sich ihren Mantel umlegte. Die verbliebenen Reste knirschten trotzdem deutlich unter ihren Füßen. Obwohl sie mitten in der Stadt waren, war es im Garten unheimlich ruhig, was Mitras aber deutlich mehr zusagte, als das geschäftige Rumoren um sein Elternhaus, das bis tief in die Nacht anhielt. Die starken Mauern um den Garten dienten nicht nur dem Schutz, sondern auch der Ruhe. Auf halber Strecke blieb er kurz stehen und atmete tief ein. Kira wäre fast in ihn hinein gelaufen und flüsterte erschrocken: „Huch, ist da was?“ „Entschuldige, ich merke nur gerade, wie selten ich in letzter Zeit draußen war. Und gerade jetzt ist die Luft so wunderbar klar. Das passiert hier in der Stadt nicht so häufig. Ich hoffe, dass der Generator uns allen langfristig bei diesem Problem helfen wird. Auch wenn dann immer noch die Gerber, Schmiede und die anderen, sagen wir nicht so wohlriechenden Gewerbe da sind.“ Kira atmete ebenfalls tief ein und nickte. „Du hast Recht.“ Sie schwieg kurz, während sie weiter gingen. An der Tür zum Generatorhaus drehte sie sich um und betrachtete einen Moment lang den Garten, der im Mondschein glitzerte. Leise, so leise, dass er sie kaum noch verstand, sagte sie: „Die klare Luft und den Wald und all das, das vermisse ich schon…“ Mitras hielt ihr stumm die Tür auf und nahm sich vor, sobald als möglich wieder einen Ausflug mit ihr zu unternehmen.
„Achte bitte gleich beim Laden einmal genau darauf wie sich das Magiesammeln anfühlt und wo du deiner Meinung nach die Magie herbekommst. Vielleicht gibt uns das ein paar Hinweise, wieso deine Magie so anders ist.“ Kira runzelte die Stirn, nickte aber gehorsam. „Ja, Magister, mache ich.“ Sie ließ sich auf ihren Platz auf den Kissen sinken, schob die Ärmel etwas hoch, sah ihn aber nicht an, sondern scheu auf den Boden. Mitras hatte es anscheinend wieder einmal etwas zu harsch formuliert und nahm sich vor sich später dafür zu entschuldigen. Aber ihre Magie war nun einmal mit nichts zu vergleichen, was er kannte, und er vermutete, dass es für Kira sehr gut war, dass sie bei ihm gelandet war. Einige würden in ihr eher ein Versuchsobjekt als eine Schülerin sehen. Er selbst war zwar auch gezwungen mit ihr zu experimentieren, aber nur damit ihr kein Schaden durch ihre Fähigkeiten entstand. Er setzte sich ihr gegenüber hin und ergriff ihre Arme: „Gut, fangen wir an.“
Die erste Berühung seiner Hände ließ sie fast zusammenzucken. Sie atmete tief ein und aus, um ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen, wie sie es in der Meditation geübt hatten. Dann umfasste sie seine Unterarme wie schon etliche Male zuvor, öffnete ihre Sinne und begann, die Magie zu sich zu bitten. Rasch erfüllte das Rauschen der Nadelbäume ihre Sinne, wie üblich. Sie versuchte, den Fluss der Magie zu fühlen. Wo kam er her? Ein wenig waberte die Magie einfach um sie… dann nahm es eher ein Gefühl von stetigem Fließen ein, durch die Kissen in ihren Unterleib und von dort in ihre Arme, wo Mitras sie übernahm. Beinahe wirkte die Magie erdig, da sie so aus der Erde kam, und während sie darüber nachdachte, hatte sie fast das Gefühl, Sand im Mund zu haben. Plötzlich, für einen kleinen Moment, war die Magie kälter, klarer, und im nächsten Moment spürte sie, wie ein ebenso kalter Windhauch durch den Raum ging, vermutlich von einer Windböe, die gegen die Tür gedrückt hatte. Die Magie war im Boden, in der Luft, um sie herum. Nur dort, wo der Generator stand und dort, wo die Wände des Gerätehauses waren, war keine Magie. Sie öffnete die Augen. Kann man Magie sehen? Mitras konnte das. Sie sah nichts und schloß die Augen wieder. Wenn sie sehen könnte, konnte sie ihm eine bessere Antwort geben… Einer Eingebung folgend nahm sie etwas von dem Fluß, den sie in sich spürte, und konzentrierte ihn auf ihre Augen. Sehen können…
Das Gefühl von Sand im Mund wich einer seltsamen Mischung als Karamell und Salzgebäck. Als sie die Augen wieder aufschlug, schimmerte der Raum in allen Farben des Regenbogens. Einen Moment lang waberte alles, dann schärfte sich das Bild und sie konnte sehen, die Magie und auch den Raum. Die Magie war ein Schimmern oder ein leichtes Leuchten. Über den Boden zogen sich helle Streifen wie kleine und große Rinnsale, die sich zu ihr hinwanden. An den Wänden war es dunkler, nur ein dünnes Netz lag über den Steinen. Unter der Kante der Tür wirbelte Magie hinein und verteilte sich zu einem Glitzern in der Luft, bildete Gitter und Netze, die aufglommen und wieder verloschen, zu ihr hin wirbelten und floßen. Kira blickte auf Mitras. Er war der hellste Punkt im Raum. Einen Moment lang überlegte sie, wie man das Leuchten, das ihn umgab, beschreiben konnte. Glimmen passte vermutlich am besten, mal heller, dann wieder schwächer, wie eine Glut, stetig, wärmend. Sie spürte, wie ein Schwall Zuneigung durch sie hindurch ging. Goldene Schlieren durchzogen für einen Moment den Raum zwischen ihnen und legten sich über ihre umgreifenden Arme. Sie schloß die Augen wieder und konzentrierte sich, die Magie wieder gleichmäßig fließen zu lassen. Hoffentlich hatte Mitras nicht zu viel bemerkt von ihren Gedanken!
Der Fluß der Magie von Kira zu ihm geriet erst ins Stocken, dann wurde er von einer Welle an Emotionen überrascht. Ihm brandete eine Welle tiefer Zuneigung entgegen, die sich eindeutig auf ihn bezog. Kira mochte ihn, deutlich mehr als ihm bewusst gewesen war. Im gleichen Moment schmeckte er das Karamellaroma viel stärker auf den Lippen und der Zunge, sie hatte also gerade gezaubert? Er konnte nicht sagen welcher Art der Zauber war, oder was sie überhaupt angestellt hatte, aber er hatte deutlich wahrgenommen, dass sie etwas getan hatte. Mit der bereits gesammelten Magie, auf die er sich konzentrieren musste, hatte er aber nicht mehr genügend Kraft, um sich auch darüber noch Gedanken zu machen. Das Ganze hatte ihn sowieso schon ins Schwanken gebracht und wäre die Menge schon größer gewesen, dann hätte er wahrscheinlich einiges verloren. Das konnte er später mit ihr klären, jetzt musste er sich erst einmal weiter konzentrieren. Die weitere Aufnahme verlief reibungslos. Als er genug gesammelt hatte signalisierte er Kira wie üblich, dass es reichte und stand auf. Er ging zum Generator und fing an die Formeln und Gesten vorzutragen. Schnell merkte er, dass die Magie noch widerspenstiger war, als es bisher sowieso schon der Fall gewesen war. Er hatte sich eigentlich schon daran gewöhnt, dass die Magie von Kira zwar potent, aber auch schwerer unter Kontrolle zu halten war, aber heute war sie regelrecht stürmisch. Er konnte es nicht anders beschreiben und hatte es so auch noch nie bei anderen erlebt. Nach rund zehn Minuten war er dann aber durch und kontrollierte den Stromfluss. Der Generator lief wieder ohne Probleme und die Bewegung des Zylinders war ruhig und gleichmäßig.
Er drehte sich zu Kira um. „So, dass hätten wir. Ich hatte allerdings relativ zu Anfang einige Probleme. Du hast irgendwie Magie gewirkt, was uns beide aus den Takt gebracht hat, oder?“ Kira drehte den Kopf zur Seite und sah auf den Boden. „Hmm, tut mir leid. Ich wollte nur sehen können, wo die Magie herkommt, weil du gefragt hast…“ Mitras setzte sich wieder zu ihr hin. „Du wolltest sehen? Aber du hast die entsprechenden Zauber doch noch gar nicht gelernt, oder habe ich da was verpasst?“ Kira blickte ihn an, feuerrot im Gesicht. „Weiß nicht.“, sagte sie leise. „Aber ich habe gesehen, dass sie aus dem Boden kam. Und du … glimmst…“ Ihre Stimme brach und sie blickte wieder verlegen auf den Boden. Ihr musste bewusst geworden sein, dass er nicht nur den Zauber, sondern auch ihre Emotionen gesehen hatte. Allerdings interessierte er sich jetzt gerade nur für den Zauber, da das doch etwas wichtiger war. „Kira, das sollte kein Vorwurf sein. Aber du hast gerade Magie gewirkt, die du bei deinem Kenntnisstand noch gar nicht wirken können solltest. Ich versuche zu verstehen, was du getan hast, um dir beim weiteren Erlernen der Magie zu helfen. Es ist mir mittlerweile klar, dass du etwas besonderes bist, und dass du dich nicht klar mit den akademischen Begriffen und Erfahrungen abdecken lässt.“ Sie blickte auf und versuchte den Ansatz eines Lächelns. „Ich weiß, dass du mir helfen willst, Mitras. Du bist mein Freund.“ Sie griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. „Ich weiß wirklich nicht, was ich gemacht habe. Ich wollte die Magie sehen können, und dann habe ich sie gesehen. So wie ich früher wollte, dass ein Schneeball hart wird oder ich unsichtbar oder der Tee sauer oder was auch immer, wenn ich es wirklich wollte, ist es eben passiert…“ Er ergriff ihre Hand auch mit der anderen, erwiderte den Druck leicht und lächelte sie ebenfalls an. „Das ist interessant, intuitive Magie ist ein Erkennungsmerkmal für junge Magier, aber ich habe noch nie von einem Fall gehört, bei dem es so deutlich war. Normalerweise gibt es einzelne zufällige Momente, die meistens mit starken Emotionen verbunden sind, weniger mit bewusstem, oder zumindest unterbewusstem Wollen. Aber auf der anderen Seite müssen auch alle anderen Schüler ihre Magie erst mühsam und mit vielen Übungen aktivieren. Bei dir scheint das auf jeden Fall kein Problem zu sein.“ Erst jetzt fiel ihm wieder ein, was sie eben gesagt hatte. „Du meintest, dass die Magie aus dem Boden kommt. In meiner Wahrnehmung ist der Magiefluß, außer in der Nähe von Kraftlinien, gleichmäßig. Ich kann aus einem beliebig großen Bereich Magie ziehen, wobei, beliebig ist nicht ganz richtig. Desto weiter ich greife, desto schwieriger wird es. Aber generell kann ich ohne Probleme Magie durch Wände hindurch greifen und normalerweise ist das auch nichts, was man extra lernen müsste. Für dich scheint sich der Magiefluß aber anders darzustellen, weniger homogen und wenn ich das richtig verstehe, dann auch deutlich komplexer und in festeren Bahnen, als ich ihn wahrnehme und greifen kann. Umgekehrt kannst du den Magiefluß deutlich leichter nutzen. Schon jetzt ist dein Potential sehr dicht an meinem dran.“ Kiras Gesichtsfarbe, die sich zwischenzeitlich normalisiert hatte, rötete sich wieder. „Das klingt irgendwie gut, wenn du sagst, ich sei etwas besonderes.“ Ihr Lächeln war irgendwo zwischen Stolz und Schmerz. „Normalerweise ist besonders sein nichts vorteilhaftes…“ Sie blickte ihn an. Eigentlich himmelte sie ihn an, oder bildete er sich das ein? Spontan nahm er sie in den Arm, gar nicht so genau wissend warum eigentlich, und sagte mit dem väterlichsten, fürsorglichsten Ton, den er hinbekam: „Kira, es ist auch nichts vorteilhaftes, also doch schon, weil deine Fähigkeiten weit über dem Durchschnitt liegen. Aber andere könnten in dir weniger eine talentierte Schülerin und mehr ein interessantes Studienobjekt sehen.“ Sie schmiegte sich an ihn und zog eine ausgesprochen niedliche, aber eindeutig gespielte Schnute. „Die anderen sind doof, das weiß ich schon, seitdem ich krabbeln kann. Aber du bist ja da und beschützt mich, nicht wahr, mächtiger Magister?“ Sie sah ihn von unten herauf mit ihren unglaublich grünen Augen an und drückte sich an ihn. Ein Schwall Zuneigung und Fürsorge erfasste ihn, diesmal aus seinem eigenen Herzen kommend. „Ja, das werde ich, so gut ich kann. Und das gleiche wird für Nathanael und auch für Sebastians Familie gelten. In jedem von uns wirst du wichtige Freunde und Verbündete finden.“ Während er sie so, in seinen Armen liegend, betrachtete kamen ihm langsam ziemlich unväterliche Gedanken. Jetzt gerade war sie ihm viel zu nahe und er merkte deutlich, wie lang es schon her war, dass er das letzte Mal eine Frau so in den Armen gehalten hatte. Sie zu küssen würde sich vermutlich gut anfühlen… Ehe er es recht wusste, hatte er sich ein Stück zu ihr herunter gebeugt, näher an ihr Gesicht, so dass er ihren Atem kurz auf seiner Wange spüren konnte. Dann riss er sich zusammen und ließ sie los. „Ähm, wir sollten dann aber wohl besser schlafen gehen.“, sagte er und stand auf. „Ja.“, hauchte sie und drehte den Kopf wieder verlegen zur Seite. Schweigend liefen sie gemeinsam zum Haus. Im Flur blieb sie stehen und drehte sich dann zum Bad. „Ich glaube, ich muss aber nocheinmal vorher in die Wanne. Wenn es dich nicht stört?“ Ihn stören? Ihm fielen einige Dinge ein, die ihn gerade mehr stören würden als seine hübsche Schülerin nackt in der Badewanne. Er räusperte sich, um seiner Stimme nichts von diesen Gedanken anmerken zu lassen und sagte: „Nein, keineswegs. Genieß den Abend und schlaf gut!“ Dann wandte er sich rasch nach oben, in seine Gemächer. Bloß nicht daran denken!
Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sich Kira dagegen und sank langsam zu Boden. Oh, meine Güte, fast hätte ich ihn geküsst. Ich hätte fast meinen Mentor geküsst. Wie peinlich! Wie … aufregend? Sie legte ihre Hand an ihre glühende Wange, wünschte sich, es wäre seine gewesen und spürte, wie die Erregung erneut von ihr Besitz ergriff. War es das, verliebt zu sein? Dass jede Berührung kribbelte? Dass sie sich wünschte, er hätte sie wirklich geküsst? Dass sie, auch wenn sie es kaum zugeben wollte, wissen wollte, wie es sich anfühlte, von ihm berührt zu werden? Überall?
Sie rappelte sich auf und begann sich auszuziehen, drehte die Hähne auf und ließ sich einen Moment lang von der Faszination ablenken, dass hier wirklich selbst so spät am Abend heißes Wasser aus der Leitung kam. Dann glitt sie ins warme Wasser, ließ sich seufzend nach hinten sinken und betrachtete kritisch, wie sich ihre Haare um ihre Brüste ringelten. Sie war zwar schon 18, aber wirklich große Brüste waren das nicht. Mitras war schon deutlich älter, bestimmt hatte er einiges an Erfahrung mit Frauen. Bestimmt hatte er schon mit vielen geschlafen, er sah gut aus und stammte aus einer reichen Familie. Wenn sie William richtig verstanden hatte, war er früher auch ein fröhlicher Draufgänger gewesen… Frustriert tauchte sie ins Wasser ab und blubberte einige Blasen nach oben. Warum war sie nicht älter? Hätte sie nicht seine Klassenkameradin sein können? Warum musste sie seine Schülerin sein? Wenn sie nicht so viel jünger wäre… vielleicht hätte er sie geküsst…
Mitras ging in die Bibliothek und schenkte sich aus seinem speziellen Vorrat einen besonders guten und teuren Rum ein. Dieser Genuß würde ihn sicher genug ablenken. Er wechselte den Raum und blieb vor seinem eigenen Bücherregal stehen. Hier befand sich zum einen sein verschlossener und mehrfach gesicherter Giftschrank, in dem er die weniger brisanten Werke unter seinen größten Kostbarkeiten verwahrte. Der Rest war im noch besser gesicherten zweiten Labor. Und außerdem seine private Sammlung an Romanen, Gedichtsbändern, Kurzgeschichten und Zeitschriften. Alles sah nach reiner Unterhaltung aus, auch um vom Safe abzulenken, der im unteren Teil des Schranks eingelassen war. Sein Blick schweifte über die Werke und er überlegte ob er nicht mal wieder eines von ihnen lesen sollte. Sein Blick blieb an einem Buchrücken hängen. Lady Novalis, er konnte sich gar nicht mehr erinnern, woher er es hatte, warum wusste er hingegen noch sehr genau. Er hatte die Familie di Ferrus durch seinen Vater kennen gelernt. Marcellus war derart wichtig für Cornelius, Sebastians Vater, dass sie auch einige Male auf das Gut in der Baronie eingeladen worden waren. Damals hatte er sich auch mit Marcus angefreundet. Auch als er schon ein Schüler der Magie war, hatte er das Gut noch einige Male besucht. Und irgendwann war ihm aufgefallen, wie gut Marcus Mutter eigentlich aussah. Der junge Mitras Venaris hatte sich in die Mutter eines seiner besten Freunde verliebt. Irgendwann in dieser Zeit war er dann über dieses Buch gestolpert. In ihm ging es um genau so eine Liebe, nur dass sie nicht unerwidert blieb. Die Lady Novalis, eine adlige Witwe, just in Lady di Ferrus Alter, verguckte sich in einen Jungen aus dem Dorf, in dem ihr Anwesen lag. Sie verführte diesen, der zufällig in Mitras damaligen Alter war, und schaffte es, dass aus seinem Verlangen nach ihr mehr wurde. Zum Glück war Mitras damals in einem recht offenen Freundeskreis, in dem alle sehr experimentierfreudig waren, so dass er bald Ablenkung in den Armen zweier Schwestern fand, die wirklich alles teilten. Bei der Erinnerung lachte Mitras kurz auf, ja er hatte es schon wild getrieben in seiner Jugend. Verliebt in die gutaussehende Tante, aber gleichzeitig in der Schule wild experimentierend.
Hoffentlich kam Kira mit den auch heute noch sehr lockeren Sitten in der Schule zurecht. Kaum ein Schüler oder eine Schülerin schaffte es durch diese Zeit ohne seine oder ihre Unschuld zu verlieren. Und sie war dabei doch so vorbelastet. Er hatte ja schon gesehen, wie schwer sie sich tat. Unwilkürlich war er zum Spiegel getreten. Er stellte das Glas ab und stellte fest, dass es leer war. Er konnte sich gar nicht daran erinnern getrunken zu haben, so sehr war er in Gedanken versunken. Unruhig aktivierte er den Spiegel, gar nicht so recht wissend wieso. Sie war im Bad und er hatte sich fest vorgenommen sie in solchen Situationen nicht mehr zu beobachten, aber es ließ ihn einfach keine Ruhe. Ein Teil von ihm hoffte auch, sie noch im Wasser zu erwischen. Sie musste mittlerweile schon eine halbe Stunde dort drinnen sein. Nein, dachte er, wahrscheinlich ist sie bereits fertig und ich blicke nur in den leeren Raum. Er aktivierte die Rune für das Bad.
Kira schwebte im warmen Wasser und strich sich gedankenverloren über die Brüste, während sie sich mit geschlossen Augen vorstellte, wie Mitras sich über sie gebeugt hatte. Nicht mal die Vorstellung, seine Hände würden so wie ihre über ihre Brüste streichen, bereitete ihr noch Schrecken. Da war eigentlich nur der Wunsch, er wäre jetzt hier…
Sie war noch im Wasser. Die Wanne war fast voll und sie schwebte regelrecht im Wasser. Im schaumfreien Wasser, wie er feststellte. Und sie war komplett zu ihm hin ausgerichtet. Mitras schossen tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf. Bei den Geistern, was für ein schöner Körper, mach den Spiegel aus, was tust du hier bloß, streichelt sie sich gerade selbst, was denkt sie da gerade nur, wie wahnsinnig schön sehen ihre Haare doch aus, wie sie ihren Körper so einrahmen… Mitras sah sie gebannt an.
Fast hatte sie wieder das Gefühl, seine hellblauen Augen schauten sie an, als durchzöge der Geschmack von Nougat ihren Mund. Sie ließ ihre Hand langsam nach unten gleiten, über ihren Bauch und reckte sich, um mit der anderen Hand die Kante des Beckens zu umfassen, um nicht unterzugehen, während sie sich sanft über den Mondhügel strich und die kleinen Schauer der Erregung genoß, die es in ihr auslöste.
Mitras schaffte es gerade wieder einen klaren Gedanken zu fassen, als ihre Hände zu wandern begannen. Während sie sich mit einer Hand festhielt, glitt die andere, Mitras Aufmerksamkeit deutlich stärker bindende Hand über ihren Bauch und strich sanft über die rotgoldenen Härchen. Nach einem für ihn scheinbar endlos langem Moment öffneten sich ihre Schenkel und einer ihrer Finger verschwand zwischen den Haaren und sank noch tiefer. Ihre Hand schob sich langsam vor und zurück. Eigentlich wollte er aufhören, sie nicht schon wieder in so einem intimen Moment belästigen, aber es war schon so lange her, wurde ihm bewusst, und sie würde es ja auch nicht erfahren. Erschrocken stellte er fest, dass seine eigenen Hände ebenfalls gewandert waren und seine Hose geöffnet hatten.
Sie ließ den Kopf ganz nach hinten sinken und genoß das Gefühl, wie die Wellen leicht gegen ihre Schenkel schlugen, während sie ihre Hand vor und zurück bewegte. Ob es sich so anfühlte, wenn eine fremde Hand die Schenkel berührten? Mitras Hand? Sie hatte in der Bibliothek neulich einen Roman gefunden, indem beschrieben war, dass der Mann die Frau dort sogar küsste… Küssen wäre für den Anfang auf jeden Fall gut… Sie ließ den Beckenrand los, um sich selbst die zweite Hand auf den Mund zu legen. Kein Geräusch, leise sein, niemand bemerkt mich…
Mitras konnte nicht mehr widerstehen, zu sehr erregte ihn, was er sah. Seine Linke legte sich um seinen Penis. Zu aufgewühlt, um noch einen einzigen Gedanken an Reue oder Scham zu verschwenden, genoß er nun vollkommen ihren Anblick, wie sie sich selbst verwöhnte, und tat es ihr gleich. Rythmisch fuhr seine Hand auf und ab und sein Atem wurde schneller. Ihre Beine waren weit geöffnet, während sich ihre kleinen, festen, wunderschönen Brüste nach oben wölbten, als sie den Rücken durchdrückte. Keuchend schnappte sie nach Luft, als ihre Hand wieder zwischen ihre Schenkel glitt und ein Finger ganz in ihr verschwand.
Mit einem langezogenen Stöhnen schwappte der Orgasmus über sie wie die Wellen, die über sie schwappten, als sie sich anschließend nach unten sinken ließ. Wenn sich Sex mit einem Mann…mit Mitras… auch nur halb so gut anfühlte, war es das defintiv wert. Sie tauchte wieder auf und schnappte nach Luft, dann rieb sie sich noch ein wenig über die Vulva, um die letzten prickelnden Wellen zu genießen und sich selbst zu reinigen. Dann drehte sie sich um und legte den Kopf auf die Kante, betrachtete sich verträumt im Spiegel, während sich die Entspannung in ihrem Körper ausbreitete. Hoffentlich würde sie das nicht jedes Mal machen müssen, um schlafen zu können, wenn sie vorher mit ihm geladen hatte…
Mitras sah ihren Höhepunkt kommen. Immer wilder wurden ihre Bewegungen und seine folgten ihrem Beispiel. Als sie dann kam, gab es auch für ihn kein Halten mehr. Stöhnend sank er in sich zusammen, während sie an den Beckenrand krabbelte und sich ausruhte. Sie blickte wohl in den Spiegel, aber Mitras kam es so vor, als sehe sie ihn direkt an. Das war dann doch zu viel für ihn, von Schuldgefühlen übermannt deaktivierte er hastig den Spiegel. Was war nur in ihn gefahren? Also außer diesem absolut unwiderstehliche Anblick, der ihn wahrscheinlich noch etliche Tage verfolgen würde, schlimmer noch als beim letzten Mal vor mehr als einem Monat. Zum Glück sah man ihm seine Gefühle nicht so leicht an wie Kira. Ein kleines, böses Stimmlein in ihm fragte sich, wie sehr sie wohl erröten würde, wenn sie wüsste, dass er sie gerade gesehen hatte, dass er alles gesehen hatte. Dieser Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln, doch dann sanken seine Mundwinkel rasch wieder, als er daran dachte, wie viel Zuneigung sie ihm heute Abend entgegen gebracht hatte – und wie er es ihr gedankt hatte. Er würde ihr defintiv etwas Gutes in den nächsten Tagen zukommen lassen! Ermuntert von diesem Gedanken stand er auf, um sich zu reinigen und ins Bett zu gehen.
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