Am Morgen des Silenz verschlief Kira – was kein Wunder war, da sie wirklich lange gebraucht hatte, einzuschlafen. Anders als in den letzten Nächten waren es diesmal ja auch keine Fantasien gewesen, die sie im Schlaf aufsuchten, sondern sie lag im Bett und dachte an das reale Gefühl. Seine Hand in ihrem Nacken, seine Lippen auf ihren… sie musste unbedingt bald mit Sebastian reden. Geister, wenn das jemand in Bispar wüsste! Die wilde Hexe, das Trollbiest hatte sich in einen Magier verliebt, einen Magister, oh, das war ja quasi ein Baron, wobei Mitras war ja sogar ein richtiger Graf. Sie war von einem Grafen geküsst worden. Und es hatte sich so gut angefühlt. Kein Wunder also, dass sie erst nach einer langen Weile einschlafen konnte. Als sie wach wurde, hörte sie im Haus schon verschiedene Geräusche, Stimmen und Geschirrgeklapper. Sie stand auf, ignorierte ihren knurrenden Magen und zog sich sorgfältig an. Auf dem Tisch lagen ihre Mathematikaufgaben. Sie schaute sie an. Der Hunger war jetzt eh fast weg. Sie seufzte und setzte sich an den Schreibtisch. Sobald sie Mitras begegnete, war es mit der Konzentration wahrscheinlich eh dahin.
Kurz vor dem Mittag klopfte Abby an ihre Tür. „Kindchen, ist alles in Ordnung? Schläfst du noch?“ „Nein, ich bin schon wach.“ Abby steckte den Kopf durch die Tür. „Oh, und so gut angezogen. Warum warst du nicht beim Frühstück? Hat die Heldin des Tages keinen Hunger?“ „Wieso Heldin?“, überging Kira die Frage nach dem Frühstück. „Na, weil der Generator wohl immer noch läuft.“ Abby grinste breit. „Mitras rennt alle halbe Stunde in den Keller und wenn er wieder hochkommt, weiß er nicht, wen er noch mit Freude überschütten kann, also komm besser runter. Falls du noch diesen Stiftenkasten oder so wolltest, ich wette, heute kann sich jeder alles von ihm wünschen.“ Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Er hat sogar zugestimmt, dass wir hinten im Haus neue Teppiche bekommen.“ Kira lachte. Oh, wenn Abby wüsste, was sie sich gewünscht hatte! „Moment, ich mach eben noch die Aufgabe fertig, ich war eh fast durch.“
Als sie die Treppe herunter ging, konnte sie beobachten, was Abby meinte: Mitras kam aus dem Keller, stieß die Küchentür auf und rief hinein: „Und er läuft immer noch! Habe ich es nicht gesagt!“ Williams Antwort konnte sie nicht verstehen, aber Mitras lachte und sagte: „Jaja!“ Er war wirklich gut drauf. Fröhlich ging Kira die Treppe ganz herunter, aber Mitras bemerkte sie nicht, er war schon wieder im Keller verschwunden. Sie lief ins Esszimmer, wo William sie entdeckte, als er den Tisch deckte. „Kira, Geisterseidank, du bist wach. Mach irgendwas mit ihm, zauber ein Loch in die Decke oder so! So viel Aufregung verträgt mein Braten nicht!“ Kira lachte, worauf William versuchte, sie mit einer Scheibe Brot abzuwerfen. „Lach nicht, iss was und beschäftige ihn!“ Sie sammelte das Brot vom Tisch und nickte artig. „Ja, der Koch befiehlt, die Magierin folgt.“ Schnaubend verschwand William wieder in der Küche und kam kurz danach mit einem Topf Suppe wieder. „Hol ihn wenigstens bitte zum Essen, ja?“
Kira fand ihn im Keller, er hockte vor dem Amperemeter und schrieb eifrig mit, was das Gerät anzeigte. Sie richtete kurz ihre Haare, ehe sie sich mit einem leichten Räuspern bemerkbar machte. Er reagierte nicht. „Mitras?“ Er reagierte immer noch nicht. Sie trat auf ihn zu und berührte ihn leicht an der Schulter. „Mitras, Essen ist fertig.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung mit der freien Hand und murmelte: „Ja, du kannst mir was hier runterbringen, Abby.“ Einen Moment stand sie verblüfft da, dann spürte sie, wie der Schalk in ihrem Nacken erwachte. Soso, er vertiefte sich also genauso wie sie. Und er vergaß Essen genau so. Hmmm… sie grinste. Dann beugte sie sich und hauchte ihm einen leichten Kuss in den Nacken. „Und wie hättet Ihr das Essen gern serviert, Magister?“ Er schrak zusammen, ließ beinahe den Notizblock herunter fallen und blickte sich um. „Kira, entschuldige ich habe dich nicht kommen gehört. Was sagtest du?“ Sie kicherte. „Essen ist fertig. Und ich bin nicht Abby.“ „Entschuldige noch einmal.“ Sie lachte jetzt richtig, glücklich darüber, dass er sie wegen des Kusses nicht gescholten hatte. „Komm, mein Magister hat mir beigebracht, dass man das Essen nicht über die Arbeit vergessen darf. Und dann hast du mir versprochen, mir diesen Stille-Zauber zu zeigen.“ Was besseres fiel ihr auf die Schnelle nicht ein. Er blickte noch einmal auf die Anzeige und dann auf den Block. Kira sah, dass es kaum Abweichungen unter den Zahlen gab, war das gut? „Ja, ja, du hast recht. Ich komme und ja nach dem Essen zeige ich ihn dir.“ Sie lächelte ihn an. „Gut.“ In Gedanken fügte sie hinzu, dass sie ihn sonst ja hätte nochmal küssen müssen. Obwohl, dann war es ja gar nicht so gut, dass er jetzt mitkam. Ach, wie sie sich wünschte, nochmal in seinen Armen zu liegen. Aber sein Glück und seine Freude über den funktionierenden Generator zu sehen, war auch sehr schön.
Am Nachmittag kam zuerst Frederieke mit ihrer Famlie an, dann seine Eltern. Kira kannte Riekes Mann Niclas noch nicht und Mitras übernahm es, die beiden miteinander bekannt zu machen. Er hatte ihr den versprochenen Stillezauber gezeigt, aber sie konnte ihn noch nicht besonders gezielt wirken – einmal hatte sie sich selbst unhörbar gemacht, dann einmal die Lautstärke der Spieluhr, die sie zum Üben genommen hatte, stattdessen verstärkt. Er war froh dass Frederieke nun da war, ehe Kira zu frustriert wurde – einen so schönen Tag wollte er sich nicht verderben lassen und ihr schon gar nicht. Seine Mutter übernahm es selbst, seinen Vater Kira vorzustellen, und als artiges Mädchen, dass seine Schülerin dann ja doch auch war, bedankte sie sich so oft bei ihrem Vater, dass dieser letztendlich ankündigte, ihr mehr Schmuck mitzubringen, wenn sie nicht bald still sei. Das wirkte, wobei Mitras sich sicher war, dass sein Vater dennoch neuen Schmuck mitbringen würde, wenn er erstmal wusste, was der Grund für dieses Festessen war. Als sie alle im Saal waren und Platz genommen hatten, erhob Mitras, der sich diesmal einen Platz am Kopfende genommen und Kira ihm gegenüber platziert hatte. Sie war da zwar nicht so glücklich drüber, aber er wollte einen Effekt erzielen und dafür ging es nicht anders. „Danke, das ihr so spontan gekommen seid.“ „Jetzt spann uns nicht so auf die Folter und fang nicht an große Reden zu schwingen. Was hast du angestellt, dass du uns so festlich bewirtest?“, unterbrach ihn seine Schwester. Etwas aus dem Takt geraten fuhr er fort: „Äh, ja, gut. Ich wollte eigentlich nur einen Toast auf meine bisher größte Hilfe aussprechen.“ Frederieke sah ihn verwundert und nun doch neugierig an und selbst die Kinder waren still geworden. „Ein Toast auf Kira, meine bezaubernde und ideenreiche Schülerin, die mir geholfen hat den Generator soweit zu verbessern, dass ich nun wahrscheinlich das Problem mit der Laufdauer nach der Verzauberung gelöst habe. Ihr verdanken wir diesen festlichen Anlass.“ Alle Köpfe drehten sich zu ihr hin und ihr Gesicht nahm einen völlig neuen Rotton an. Sie schlug den Blick nieder und stammelte ganz verlegen: “ Ähh, so viel habe ich nun auch nicht getan. Ich hab nur diesen einen Zauber entdeckt.“ Mitras grinste von einem Ohr zum anderen. „Genau – den einen, der das Problem löste.“ Frederieke wandte sich wieder zu ihm um und sah ihn plötzlich wissend an. Seine Schwester kannte seine Neigung, andere zu necken und in Verlegenheit zu bringen, zu gut. „Gut, Schluß jetzt, setz dich wieder, du hast deinen Spaß gehabt, sie ist rot genug. Aber das ist wirklich der Durchbruch? Und Kira hat dir geholfen.“ Immer noch grinsend setzte sich Mitras wieder und beobachtete wie Kira ihn böse anfunkelte. Sie hatte offensichtlich die kleine Falle erkannt, die er ihr gestellt hatte und in die sie nun hineingeraten war. Er erhob das Glas erneut. „Ja, es scheint wirklich der erhoffte Durchbruch zu sein. Der Probegenerator läuft seit gestern Abend. Der Zauber ist stabil und noch ist nichts explodiert. Damit ist sie bereits deutlich erfolgreicher als ich es in den letzten Monaten war. Also ein Hoch auf meine Schülerin.“ Diesmal stimmten alle mit ein und auch Kira nahm ihr Glas in die Hand und trank und murmelte ein leises „Danke.“ Mitras wurde indes wieder ernst. „Aber eine Bitte. Sepus di Porrum bedrängt mich immer härter, und sollte er hiervon erfahren, dann wird er auch Kira ins Visier nehmen. Also lasst bitte nichts nach außen dringen.“ Betretenes Schweigen machte sich breit und alle nickten ernst. Seine Eltern und auch seine Schwester wussten zwar nur wenig vom Gesamtmaß seiner Probleme, aber in Uldum kannte man die di Porrums und auch die Geschichten über sie, wie sie immer wieder mit den rücksichstlosesten Methoden Konkurenz ausstachen. Mitras sah, was er angerichtet hatte, aber diese Warnung war zu wichtig gewesen. „Genug finstere Gedanken. Heute Abend wollen wir feiern und ich bin mir sicher, dass der gute William sich größte Mühe gegeben hat uns über alle Maßen zu verwöhnen.“ William und Abigail standen auf und huschten schnell in die Küche, um sofort wieder mit dem ersten Gang zurück zu kommen: Eine klassische Suppe mit Gemüse und Klößen, verfeinert mit einem leicht scharfen Gewürz, dass William wohl über seine Beziehungen zu den fahrenden Händlern aus Astellia bekam. Mitras kannte auf jeden Fall keinen anderen Koch, der dieses Gewürz ebenfalls benutzte. Alle versanken in genußvolles Schweigen, nur Frederieke half Julius beim Löffeln und erklärte ihm, was da für Gemüse auf seinem Löffel auftauchte. Offenbar hatte der Kleine Sorge, er könnte sich an Karotten vergiften. Als zweiten Gang servierte William ein helles Brot, dass er im Ofen geröstet und mit Rauch-Lavia belegt hatte, einem großen Fisch aus dem nördlichen See. Mitras Vater nutzte die Wartezeit bis zum Hauptgang, um sich alle Einzelheiten des neuen Generators schildern zu lassen, und alle am Tisch hörten aufmerksam zu, selbst Julius, obwohl der sicher nichts verstand. Mitras hatte kurz das Bedürfnis, Kira vorsichtshalber nocheinmal den Raum nach Spionen absuchen zu lassen, doch er unterdrückte diese Paranoia. Warum sollte auch jemand versuchen, das Familienessen zu belauschen? Als Hauptgang servierten Abby und William gemeinsam einen Hirschbraten, dazu gab es Birnen, Erdäpfel und Bohnen. Die Soße war wieder einmal hervorragend gelungen, so dass alle wieder in das genußvolle Schweigen versanken. Julius aß einige Bohnen, dann rutschte er vom Stuhl und lief in den Wintergarten, wo auf einer Decke sein Spielzeug lag, und seine Schwester folgte ihm bald. Frederieke hatte die Decke extra vorbereitet, sie und die ganze Familie hatten schon oft genug erfahren, dass Kinder nicht so lange still am Tisch sitzen mochten. Anders als andere Mütter weigerte sich Rieke aber, Zofen für die Kinder anzustellen, sondern legte lieber diese Spieldecke heraus. Zum Nachtisch – Pudding mit Fruchtsoße – kreuzten die beiden sowieso wieder auf. Mitras entspannte sich. Das Essen war hervorragend, der Generator lief vermutlich immer noch fehlerfrei, denn sonst hätten ihn die Warnzauber alamiert. Kira sah bezaubernd aus und selbst seine Mutter schien sich entspannt zu amüsieren, während sie mit Valencia übte, die Bohnen zu zählen.
Kira staunte über das Essen, aber noch mehr über Mitras Familie. Nunja, eigentlich sollte sie darüber nicht staunen – sie hatte ja gewusst, dass William ein toller Koch war und dass Mitras Familie eine wunderbare, warme und herzliche Familie war. Dennoch fand sie, dass dieses Familienessen das Essen, dass sie vor einer Weile mit Frederieke alleine gehabt hatten, um Längen übertraf, sowohl was das Essen als auch was die Stimmung anbelangte. Es war ihr peinlich gewesen, von Mitras so gelobt zu werden, aber nun war alles entspannt und gemütlich. Nach dem Essen führte Mitras seinen Vater und Frederiekes Mann Niclas in den Keller.
Dea und Rieke blieben oben um nach den Kindern zu sehen, wobei Dea auch freimütig zugab, sich für diese technischen Spielereien eh nicht zu interessieren. Sie nahm Valencia und Julius und ging mit ihnen in den Wintergarten zum Spielen, so dass schließlich nur Frederieke und Kira am Tisch sitzen blieben. Frederieke schaute sie einen langen Moment lang an, so dass Kira ein wenig unwohl wurde. Doch die ältere Frau hob schließlich einfach nur ihr Glas und prostete ihr zu: „Also dann, auf Mitras beste Schülerin.“ Kira wurde ein wenig rot. „Sag du das doch nicht auch noch… Ich bin doch seine erste Schülerin.“ Rieke lachte leise. „Ja, aber du wirst immer seine beste Schülerin sein. Ist er wenigstens angemessen nett zu dir? Ich weiß, dass er manchmal ein Scheißkerl sein kann, dieser magische Schnösel.“ Kira musste instinktiv an das Gefühl seiner Lippen auf ihren denken und wurde nun knallrot. „Äh, ja, ja, also, nein, er ist sehr nett, du musst dir keine Sorgen machen.“ Interessiert sah Rieke sie an, dann stand sie auf, lief um die Tafel herum, setzte sich auf den Stuhl neben sie, beugte sich vor und flüsterte: „Und wieso wirst du so rot? Hat er wirklich nichts getan? Ich sag dir, wenn er dich irgendwie belästigt oder so, ich mache Kleinholz aus ihm, du brauchst es nur sagen!“ Kira schüttelte heftig den Kopf. „Nein!“ Wenn hier jemand Kleinholz werden sollte, war das ja vermutlich eher sie. „Nein?“ Rieke zog die Augenbrauen hoch. „Nein, weil er wirklich nichts gemacht hat oder nein, weil es dir gefallen hat? Ich hab gesehen, wie er dich angeschaut hat, und er hat viel zu viel Spaß dabei, dich aufzuziehen, das macht er nicht mit jedem – selbst mit Claudia war er immer bierernst.“ Verlegen drehte Kira den Kopf zur Seite. „Er hat nichts unanständiges gemacht… also… auf jeden Fall nichts, was ich nicht mochte… er ist ein anständiger Magister.“ Frederieke pfiff leise und grinste. „Nichts, was du nicht mochtest? Hat mein Bruder also einmal Geschmack im Leben gezeigt?“ Kira schwieg. Was sollte sie sagen? „Shh, sei nicht zu schüchtern. Weißt du, Mitras hatte zwar immer ein paar Frauen, glaube ich, aber so richtig eine feste Partnerin hatte er nur eine, Claudia di… di… ach, fällt mir nicht mehr ein. Und sie war eine fürchterliche Zicke, keine Ahnung, was er mit ihr wollte. Gerade, als er etwas Erfolg mit dem Venarium hatte, hat sie Knall auf Fall den Kontakt abgebrochen, aber das war vermutlich besser so. Sie wollte reich heiraten, ganz anders als du, du bist bescheiden und hilfst ihm, statt ihn zu benutzen. Weißt du…“, Rieke legte ihr eine Hand auf den Arm, „…wenn du Mitras magst, dann verrate ich dir gern mehr über ihn. Also, nur, wenn du magst. Ich fände es schön, wenn er in dir nicht nur seine beste Schülerin gefunden hätte, sondern endlich auch eine gute Frau, die ihm ebenbürtig ist. Im Gegensatz zu Claudia kann ich dich nämlich gut leiden.“ Kiras Gedanken rasten. Mehr über Mitras wissen war verlockend. Aber sie konnte unmöglich vor Frederieke zugeben, dass sie in ihren Bruder verliebt war, oder doch? Befürwortete Frederieke etwa eine Beziehung zwischen ihnen? Leise sagte sie: „Danke, hmm, also, dass du mich magst und so. Aber, ähm, meinst du nicht, dass es Mitras schaden würde, wenn, also, naja, wenn er und ich…“ Sie verstummte. Rieke lächelte. „Wenn ihr euch näher kommen würdet? Warum sollte ihm das schaden? Es ist doch nicht verboten, du bist alt genug, um zu heiraten. Ihr seid ja sogar beide adelig.“ „Noch nicht.“, korrigierte Kira sie. „Und alle Adelskreise reden gern über Magister, die ihre ach so dummen Discipula schwängern… Meistens kommt der Mann dabei nicht allzu schlecht weg, wenn man Sebastian di Ferrus glauben kann, aber gut ist das doch auch nicht für ihn…“ Rieke blickte sie einen Moment lang verblüfft an und brach dann in Gelächter aus. „Bist du da nicht ein paar Schritte zu weit? Willst du gleich Kinder kriegen?“, fagte sie leise kichernd. Kira schüttelte heftig den Kopf. „Nein, eben nicht, aber… äh… naja, also, das kann doch passieren, oder nicht? Und ich will ihm keine Schande bereiten.“ Frederieke grinste immer noch. „Ach, Kira, Schätzchen, du bist so süß. Erstens mal denkst du ja nur an ihn, obwohl es dir viel mehr schaden würde, weil du dann nicht zur Akademie darfst. Und zweitens, hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man Schwangerschaften durch die regelmäßige Einnahme von Frauenwurz verhindern kann?“ Kira blickte sie verblüfft an. „Nein, hat sie nicht. Ehrlich? Man kann Schwangerschaften einfach verhindern?“ Rieke nickte. „Ja, kann man. Aber vermutlich weiß das die Dorfbevölkerung nicht mehr.“ Bruder Harras hatte das bestimmt gewusst, er wusste so viel über Kräuter. Warum hatte er ihr das nie gesagt? „Brauchst du Frauenwurz? Soll ich dir den Tee besorgen? Ich helfe gern, ich nehme ihn nämlich auch. Zwei Kinder waren mir genug.“ Kira schaute auf ihre Hände. Brauchte sie das? War es nicht eigentlich unnötig, diesen Tee zu trinken? Mitras hatte sie nur geküsst, weil sie darum gebeten hatte, nicht, weil er Interesse an ihr hatte, oder nicht? „Ich weiß nicht…“ Rieke schmunzelte. „Dann lasse ich dir welchen bringen und du kannst es selbst entscheiden. Den Gerüchten nach müsste Mitras auch Zauber mit ähnlicher Wirkung kennen, aber da bin ich raus als Nichtmagische. Also, entnehme ich deinem Zögern aber richtig, dass du durchaus einer Verbindung mit ihm nicht abgeneigt wärest?“ Verzeifelt schaute Kira auf einen Fleck auf dem Tischtuch. Was sollte sie dazu sagen? Frederieke beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: „Keine Sorge, ich behalte es für mich. Und wenn du Hilfe brauchst, ich bin für dich da. Ich mag meinem Bruder, auch wenn es nicht immer so klingt. Ich finde, er hat eine tolle Frau wie dich verdient.“ Sie lehnte sich zurück und ergänzte mit einem selbstgefälligen Schmunzeln: „Aber wenn ihr heiratet, will ich deine Trauzeugin sein, abgemacht?“ Kira schlug sich die Hände vor das Gesicht. „Sei still! Das wird eh niemals passieren!“ Frederieke lachte. „Oh, meinst du? Wollen wir wetten, dass er dich interessanter findet, als du gerade denkst?“ Kira schüttelte den Kopf und ließ die Hände sinken. „Nein, auf sowas wettet man nicht. Und außerdem… naja… das würde mir doch nur Hoffnung machen…“ Frederieke schmunzelte und strich ihr über das Haar, eine mütterliche Geste, die Kira verblüffend tröstend fand. „Oh, Hoffnung? Dann habe ich jetzt Hoffnung, dass alles gut wird.“ In diesem Moment hörten sie die Stimmen der Männer auf dem Flur, und Rieke ließ den Arm sinken, wofür Kira ihr ausgesprochen dankbar war. Ihr Herzrasen und die rote Farbe ihrer Wangen waren schlimm genug, Mitras musste nicht unbedingt noch sehen, dass Frederieke sie gerade getröstet hatte. Geschweige denn wissen, worüber sie gesprochen hatten! Während alle gemeinsam noch Tee tranken und einige Kekse aßen, grübelte sie aber über das Gespräch nach. Es gab also Möglichkeiten, Schwangerschaften zu verhindern? Nun, dann gab es auch die Möglichkeit, dass er sie anfassen könnte, ja, sogar die Möglichkeit auf Sex, ohne dass jemand davon wissen musste… Im Geheimen wäre das doch kein Problem, oder? Wenn nur Mitras sie als Frau bemerken würde… sie dachte an die Träume der letzten Zeit. Das hatte sich alles so gut angefühlt im Traum. Und der Kuss war in echt noch besser gewesen. Sie lugte zu Mitras hinüber. Frederieke bemerkte ihren Blick und zwinkerte ihr zu. Rasch blickte Kira weg. Nein, das konnte sie sich nicht wünschen!
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