Mitras erwachte früh am nächsten Morgen, immer noch unter dem Eindruck, den der Kuss bei ihm hinterlassen hatte. In den letzten drei Jahren hatte er nie über eine Beziehung, über eine Partnerin oder auch nur eine Geliebte nachgedacht. Vor Claudia hatte er meistens mit Frauen geschlafen, mit denen er gut befreundet war, so wie Lisa. Sie war aber bei weitem nicht die einzige. Während der Schulzeit und auch in den ersten Jahren, als einer von Nathanaels Gehilfen, hatte er einige Freundinnen gehabt, mit denen er regelmäßig das Bett geteilt hatte. Und die meisten von ihnen hielten es genauso. Nur die schüchterne Mireè, ebenfalls eine von Nathanaels Assistentinnen, hatte außer ihm niemanden gehabt. Und wären sie sich nicht durch die Arbeit so nahe gekommen, hätte sie ihn auch nie gefragt, ob er ‚es ihr beibringen könnte‘. Sie arbeitete immer noch für den Magus und war unter den Mitarbeitern eine seiner wichtigsten Vertrauten. Auch wenn ihre letzte gemeinsame Nacht schon etliche Jahre zurück lag, hielten sie nach wie vor Kontakt. Sie hatten aufgehört miteinander zu schlafen, als Mitras ihr seine Liebe gestand, nur um von ihr zurück gewiesen zu werden. Sie mochte ihn, ja und sie hatte die Nächte mit ihm wirklich genossen. Aber ihr ging es dabei anfangs nur um die Befriedigung iher Neugierde und dann ihrer Lust. Er war ihr nicht böse deswegen, auch wenn es ihn verletzt hatte. Aber so war das nun einmal. Lust und Liebe liefen nicht immer Hand in Hand. Erfreulich war aber, dass sie durch diese Erfahrung deutlich selbstbewusster geworden war, was dann auch zu ihrem Aufstieg in Nathanaels Mitarbeiterschaft führte. Irgendwann würde sie durch das Wirken ihres Meisters eine Aufgabe finden, über die sie ihren Magistra Titel erlangen würde. Mit Mireè war es nie wieder wie früher geworden, aber mittlerweile waren sie wieder gut befreundet, auch wenn es schon fast vier Monate her war, dass er sich das letzte Mal mit ihr in einem Café getroffen hatte. Zu Claudia hingegen war jeglicher Kontakt abgerissen, nachdem sie seinen Antrag zurückgewiesen und ihn verlassen hatte. Er wusste nicht einmal, was sie heute machte. Sie war die letzte Frau, mit der er geschlafen hatte. Danach kamen drei Jahre, in denen er über die Arbeit jegliches körperliches Verlangen vergaß. Und dann war Kira in sein Leben gekommen. Nicht erst, seit er sie im Bad gesehen hatte, war sein Interesse wiedererwacht, auch wenn er sich das lange nicht eingestehen wollte. Aber nun merkte er, wie die Sehnsucht nach mehr größer wurde. Sie hatte bisher nur Sebastian und ihn als Vertraute hier in Uldum, und da Sebastian ein deutlich braverer Junge war, als es seinem Ruf entsprach, hatte sie sich nun ihm zugewandt. Aber auch wenn er durch den Regenerationszauber wieder wie Anfang 20 und nicht mehr wie ausgezehrte Ende 30 aussah, war er dennoch fast doppelt so alt wie sie. Früher oder später würde sie weitere Männer in ihrem Alter kennen lernen. Es gab genügend anständige Kerle in Uldum, den Rest würde er schon rechtzeitig auf Abstand bringen.
Bei dem Gedanken lachte er. Das hörte sich mehr nach den Gedanken eines behütenden Vaters an, als nach einem Mann, der selbst gerne Hand anlegen würde. Er war sich selbst nicht sicher, was er mehr sein wollte… Ein fürsorglicher väterlicher Freund, der sich um seine Schülerin kümmerte oder ihr Liebhaber und Vertrauter. Gestern Abend wäre er beinahe zweites geworden. Glaubte er zumindest. Vielleicht war es auch einfach eine falsch verstandene Abfuhr gewesen? Ihr Blick vor dem Kuss war seltsam gewesen, als habe es ihr nicht behagt, dass er sie durchaus als Freundin sah, die er küssen wollte. Seine Ausdrucksweise wäre keiner Uldumer Frau negativ aufgefallen. Aber Kira war unter ganz anderen Bedingungen aufgewachsen. Vielleicht war er für sie zu aufdringlich gewesen? Mitras wusste, dass die Landbevölkerung deutlich prüder war, als die Städter und insbesondere der städtische Erb- und Geldadel. Aber dennoch hatte sie ihn voller Begierde geküsst.
Aber gut, es half jetzt nichts darüber zu grübeln. Heute hatte er ersteinmal anderes zu tun. Es war Borastag, der erste der beiden Tage zwischen den Jahren. Er und Kira waren bei seinen Eltern zum Mittagessen eingeladen. Den Abend würden sie hier verbringen. Die Bälle am Borastag waren speziell. So wie der ganze Tag. Man startete diesen speziellen Tag mit dem Gedenken an die Alten und insbesondere an die verstorbenen Familienmitglieder, was hieß, dass man sich im Kreis der Familie traf und all die alten Geschichten wieder erzählte, fröhlich miteinander aß und das alte Jahr verabschiedete. Der Abend war dann die Zeit, dem Neuen zu gedenken. Er stand ganz im Zeichen der neuen Generation und dieser wurde in ausschweifenden Festen gedacht. In der Regel wuchs die neue Generation auch genau neun Monate nach diesem Festabend stark an. Egal ob in den Tavernen, in denen sich die bürgerliche Bevölkerung traf oder auf den Bällen, es lief meistens schnell auf eine ausschweifende Orgie in den Hinterzimmern hinaus. Noch wollte er dieses Nachtleben nicht auf Kira loslassen. Wenn sie sich nächstes Jahr vollends an Uldum gewöhnt hätte und auch die Gesellschaft schon kennen würde, dann würde er sie nicht mehr zurückhalten. Verdammt, wahrscheinlich würde er, wenn das kommende Jahr so gut lief wie es versprach, sogar selbst das eine oder andere Fest besuchen. Aber für heute hatte er andere Pläne. Er hatte eine Überraschung für Kira, die er auf der Dachterasse vorbereiten wollte. William hatte bereits gestern angekündigt, dass er heute losziehen wolle und wohl erst spät am Neujahrstag wiederkommen werde. Abby und Tobey würden sich nach dem Frühstück auch zurückziehen. Für Abby war der Borasabend immer eine harte Zeit, da sie trotz ihres Wunsches nie Kinder bekommen hatte. Der Himmel war klar und nichts stand dem Jahresendfeuerwerk der Elementarschule im Weg. Das Letzte der etwa alle drei Monate stattfindenden Feuerwerke hatte Kira knapp verpasst, aber das Herbstfeuerwerk war in der Regel auch nicht so groß. Dank der Lage des Hauses hatte man von der Terasse aus einen wundervollen Blick auf das Stadtzentrum und damit auf den alten Palast. Zum Glück hatten sie den Block auf der anderen Straßenseite nicht noch ein Stockwerk höher gebaut, dann wäre es vorbei gewesen mit der Aussicht. So aber sorgte das Gefälle des Hügels dafür, dass man vom zweiten Stock aus weit sehen konnte, was er beim Bau des Hauses für eine kleine, halb überdachte Terrasse genutzt hatte. Er würde dort oben ein kuscheliges Lager für sie aufschlagen und mit Heizsteinen dafür sorgen, dass sie das Feuerwerk bequem zusammen ansehen konnten, um ihr eine weitere Besonderheit der Hauptstadt in einem geschützten Rahmen zeigen zu können.
Kira saß vor dem Spiegel und grübelte. Was sollte sie zum Familienessen anziehen? Sie war überrascht gewesen, als Mitras ihr sagte, dass sie heute mit zu seinen Eltern eingeladen war. Boras war eigentlich ein Familientag, man nahm selten Gäste mit auf. Sie hatte gar kein schwarzes Kleid, wie es üblich gewesen wäre. Ob das dunkelblaue mit den Sternen in Ordnung war? Aber es sah sehr festlich aus, vielleicht etwas zu festlich? Zu ihrer Erleichterung hatte Mitras nicht vor, mit ihr auf einen der Bälle zu gehen. Was sie von den Dorffesten wusste und von Sebastian gehört hatte, war das defintiv kein Ort, an dem sie sein wollte, selbst mit ihrem neu erwachten Selbstbewusstsein. Aber für den Ball wäre es vielleicht auch schon wieder zu schlicht gewesen, das Sternenkleid… Seufzend stand sie auf. Sie würde Mitras fragen müssen. Abby hatte heute frei, wie William ihr beim Frühstück gesagt hatte. Vorsichtig lugte sie über den Flur. Es war wirklich still heute vormittag. Wo war Mitras? Seine Zimmertür war zu, ebenso die Labortür. Sie ging in die Bibliothek, klopfte an seine Tür und schaute in beide Labore, aber er war nicht zu finden. Verwirrt ging sie wieder nach oben. War sie alleine im Haus?
„Kira, kann ich dir helfen?“ Erschrocken fuhr sie herum. Mitras stand plötzlich hinter ihr. „Wa… Wo kommst du denn her?“ Er lächelte und deutete mit dem Daumen auf die Treppe, die zu Williams Zimmern führte. „Vom Dachboden. Du siehst irgendwie noch nicht so aus, als wärest du fertig frisiert, gibt es ein Problem?“ Verlegen fuhr Kira sich durch die Locken. „Äh, ja. Ich weiß nicht, was ich anziehen soll, ich habe kein schwarzes Kleid hier.“ „Das ist schon in Ordnung, bei mir zu Hause geht es eh nicht so formell zu. Du hast doch mindestens ein blaues Kleid, oder? Die sind auch gut und sehen auch schön aus.“ „Ja, hab ich, aber… „, sie griff seine Hand und zog ihn einfach hinter sich her. Zeigen war einfacher als erklären, das Kleid lag bereits auf dem Bett. „… ist es nicht zu festlich?“ Das Kleid war dunkelblau, aber hatte eine Schicht aus hellerem, fast durchsichtigen Stoff darüber, auf dem Sterne eingestickt waren. Sie hatte es, seitdem sie es beim ersten Einkauf bei Peeks gekauft hatten, noch nie getragen. Mitras sah es sich kurz an: „Das sieht doch gut aus. Frederike wird wahrscheinlich etwas ähnliches tragen.“ Erleichtert griff Kira nach dem Kleid. „Danke! Dann bin ich gleich fertig.“ Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass Mitras noch im Raum stand, legte sie sich das Kleid über dem Stuhl zum hineinschlüpfen zurecht und begann, das einfache Kleid, dass sie zum Frühstück getragen hatte, am Rücken aufzuknöpfen. Als sie es bereits halb offen hatte, räusperte er sich hinter hier, was sie erneut zusammen zucken ließ. „Ehm, möchtest du Hilfe?“, fragte er. Sie dachte kurz nach. Das würde bedeuten, ihn nahe bei sich zu haben, vielleicht noch einen Kuss zu bekommen. Aber sie musste sich beeilen mit dem Anziehen, wenn sie noch ihre Haare in eine halbwegs präsentable Frisur bekommen wollte. Wenn sie schon die Ehre hatte, von einer fremden Familie eingeladen zu werden, wollte sie nicht der Grund für eine Verspätung sein. Also schüttelte sie den Kopf und bedankte sich, woraufhin er in sein eigenes Zimmer ging.
Kira musste wirklich nervös wegen des Mittagessens sein, dass sie sich beinahe vor ihm ausgezogen hätte. Der Anblick ihrer nackten Schulterblätter war durchaus schön, aber ihre Zerstreutheit so auszunutzen fand er irgendwie nicht richtig. Nun ging Mitras schnell in sein Zimmer, zog sich selbst um, trat dann wieder auf den Flur. Kira war anscheinend noch nicht fertig und so ging er schon einmal nach unten. Er wollte noch kurz nach drüben zu Abby und Tobey. In der Küche stand der kleine Präsentkorb, den er William aufgetragen hatte vorzubereiten. Er schlüpfte schnell in Stiefel und Mantel und ging zu dem kleineren Haus. Tobey öffnete ihm. „Hallo Tobey, ich habe hier noch eine Kleinigkeit für euch beide. Ich hoffe es bessert den Abend ein wenig auf.“ Er begutachtete den Korb kurz und blickte dann zu Mitras: „Das ist aber ein feines Geschenk. Danke.“ Der Korb enthielt ein paar Würste und einen Käse aus Abbys Heimat und einen Laib Brot von einem Bäcker, der ebenfalls von dort stammte. Dazu gab es einen Brandy aus Tobeys Heimat, den Abby aber auch sehr gern trank. „War sicher nicht ganz günstig, dieses kleine Stück Heimat.“, sagte Tobey mit leicht belegter Stimme und einem leichten, feuchten Funkeln im Auge, es war schon eine Weile her, seit die beiden das letzte Mal bei ihren Familien waren. „Keine Ursache. Ich wünsche euch beiden einen schönen Abend.“ Mitras ging wieder zum Haus hinüber und fand Kira und William im Flur vor. Kira sah in dem Kleid einfach umwerfend aus, auch wenn er nicht umhin kam, zu denken, dass die Farbe nun nicht mehr so gut zu ihr passte wie sie es beim Kauf vermutlich getan hatte. Ihre Haare waren deutlich heller geworden, weg von dem dunklen Kastanienbraun hin zu einem dunklen Rot. Ein Violett oder Grünton würde ihr nun seiner Meinung nach besser stehen. Er musste wohl mal wieder in ihre Gaderobe investieren. Der Gedanke ließ ihn schmunzeln, denn er beschenkte sie nur allzu gerne – ihre Reaktionen waren einfach zu niedlich. Das Kleid hatte aber durchaus etwas elegantes und war dem Anlass angemessen. Ihre Haare hatte sie teilweise geflochten, teilweise hochgesteckt, was die Eleganz unterstrich und den Blick auf die Ohrringe lenkte, die sein Vater ihr geschenkt hatte. Sie passten nicht ganz zum Kleid, aber angesichts des Anlass waren sie eine gute Wahl. Vielleicht sollte er auch in etwas mehr Schmuck für sie investieren, schloß er seine Überlegungen ab. William war auch fertig und verabschiedete sich von den beiden, als sie auf die Straße traten und in Richtung Kutschstand gingen. Die Luft war nicht mehr so kalt, der Frühling kündigte sich bereits an, doch Kira zog dennoch den Mantel eng um sich, was ihn dazu veranlasste, doch eine Kutsche zu nehmen, statt die kleine Distanz bis zu seinem Elternhaus zu laufen.
Seine Mutter empfing sie an der Tür und schloß erst ihn, dann Kira in die Arme, die von dieser Geste offenbar genauso überfordert war wie von der Tatsache, dass Valencia ihr freudestrahlend einen Brief in die Hand drückte, kaum, dass sie den Mantel abgelegt hatte. „Für dich, ein Borasgeschenk! Ich hab mir ganz viel Mühe gegeben!“ „Äh, danke, ich…“, stammelte Kira, und Valencia hüpfte aufgeregt vor ihr auf und ab. „Mach auf, mach auf, lies!“ Kira versuchte, den Brief mit dem Finger zu öffnen, was Mitras erst schmunzeln ließ, doch dann aktivierte er seinen Brieföffner und reichte ihn ihr. Dankbar nahm sie ihn und öffnete den Brief. Mitras lugte ihr neugierig über die Schulter. Den größten Teil des Blattes nahm eine Zeichnung ein, auf der Kira von lauter Sternen umgeben war und Strahlen aus ihren Händen schickte. Oben drüber stand in krakeliger Kinderschrift in Großbuchstaben: „AN KIRA DI MAGIRIN. ICH HOFFE DAS DU MEINE VREUNDIN BIST.“ Seine Mutter, die ebenfalls noch im Flur stand, reckte sich ebenfalls. „Was hast du denn geschrieben, meine schlaue Enkelin?“ „Das ist für Kira!“, protestierte Valencia. „Das ist Geheimnis, sagt Mama. Man muss niemanden seine Briefe lesen lassen, wenn man nicht will!“ Dea lachte. „Ja, das stimmt.“ Kira war sehr still. Mitras beugte sich etwas vor, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Ihre Hände zitterten ein wenig, was ihm Sorgen bereitete. In den Ecken ihrer Augen glitzerte es verdächtig. Doch ehe er etwas sagen konnte, kniete sie sich nieder, öffnete die Arme und zog Valencia an sich. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr, was Valencia freudestrahlend nicken ließ. Dann stand sie wieder auf, faltete den Brief sorgsam zusammen und steckte ihn in die Tasche des aufgehängten Mantels, hielt ihn vorher aber geschickt so, dass auch Dea einen Blick darauf werfen konnte. Mitras bewunderte seine Schülerin wieder einmal. Was auch immer sie gesagt hatte, ihre eigenen Emotionen hatten sie nicht daran gehindert, Valencia eine gute Antwort zu geben und von ihr unbemerkt auch die Neugierde seiner Mutter zu befriedigen. Diese folgte nun Valencia ins Esszimmer, wobei sie versuchte, Valencia dazu zu bringen, auch ihr mal einen Brief zu schreiben, was seine Nichte nach einem Moment des Überlegens auch versprach: „Ja, Oma, mach ich, aber du musst noch ein bisschen warten, weil ich erst noch lerne. Ich nehme es mir einfach für das nächste Jahr vor und dann bekommst du ihn zum Geburtstag, ja?“ Mitras spürte, wie er sich entspannte. Seine Familie hatte immer wieder diese Wirkung auf ihn, sie waren wuselig, warm und gaben ihm Hoffnung, dass es tatsächlich immer einen neuen Morgen geben würde – auch wenn die Fortschritte, die er in der letzten Zeit mit Kiras Hilfe gemacht hatte, ihn noch mehr mit Hoffnung erfüllten, seine Familie war immer da gewesen, in den dunklen und hellen Tagen, und sie würde es auch bleiben. Wenn es nötig war, würde er mit allen Mitteln dafür sorgen, dass ihnen nichts geschah.
Kira enspannte sich erst, als der Nachttisch aufgedeckt wurde. Zu nervös war sie, obwohl Mitras Familie alles erdenkliche tat, um sie nicht wie eine Außenseiterin dastehen zu lassen. Die überwältigende Begrüßung hatte auf jeden Fall geholfen, dass sie sich nicht so verloren fühlte, wie sie befürchtet hatte, als die traditionellen Toasts auf die verstorbenen Familienmitglieder ausgesprochen wurden. Sie kannte zwar niemanden, also schwieg sie, wenn reihum jeder etwas zum Gedenken sagte, aber das fiel nicht auf, weil Valencia und Julius natürlich auch noch nicht an den Sprüchen und Geschichten teilnahmen. Sie würden erst im Laufe der Zeit lernen, diese Familiengeschichten nachzuerzählen. Kira lernte so immerhin, dass die Familie Venaris offenbar von Bergleuten abstammte, die an verschiedenen Orten des Landes nach Gold gegraben hatten. Von zweien, seinem Großvater und einem anderen Mann namens Sigus gab es Statuen aus Metall im Raum, die unglaublich lebensecht waren. Kira vermutete, dass sie mit Magie hergestellt sein mussten und fragte sich, wie viel Geld die Familie hatte, um sich solche Statuen leisten zu können. Einige der offenbar recht alten Erzählungen stammten noch aus der Gründungszeit von Albion, was Kira beeindruckte. Die Geschichten, die man sich bei ihr zu Hause erzählte, beinhalteten einige Erzählungen über ihre Urgroßeltern und einige zeitlich nicht mehr eingeordnete Erzählungen über Kämpfe gegen die einfallenden Skir, bei denen sie sich nicht mal sicher gewesen war, ob sie nicht vielleicht erfunden waren. Namen, Zeiten und Verwandtschaftgrade so weit zurück noch genau benennen zu können, sprach für eine gute Familienbande und eine lange Pflege der Borastradition. Mitras hatte eine besondere Familie. Vermutlich waren sie deshalb auch immer so herzlich – die Nähe und Zugewandtheit wurde bei ihnen schon immer gelebt, sie wuchsen darin auf. Ein bisschen schwankte sie zwischen Trauer über ihre eigene Familie und Freude darüber, stattdessen nun hier sein zu können. Die Familie von Dea wurde weniger oft erwähnt, fiel ihr aber auch auf. Sie stammte offenbar aus der Gegend um Silias, einige Vorfahren hatten auch eher rhorestarische Namen, aber die Geschichten waren eher kurz und wenig detailreich ausgeschmückt. Die Familie Venaris hat sie aufgenommen, realisierte Kira. Wenn Mitras sie irgendwann heiraten könnte, dann würde sie vielleicht dasselbe Glück haben. Hmm, das kribbelte im Bauch. Verträumt beobachtete sie Mitras, wie er geschickt ein Stück Fleisch mit der Gabel vom Knochen löste, ehe er den Teller zusammen mit den anderen zusammenschob. Wie Dea erzählt hatte, hatte sie allen Haushaltshilfen für heute Nachmittag frei gegeben, damit sie ebenfalls zu ihren Familien gehen konnten, eine Geste, die Kira durchaus kannte, allerdings aus der anderen Perspektive. Oft waren zum Borastag diejenigen nach Bispar nach Hause gekommen, die in Hagen oder Lührenburg bei den Adeligen gearbeitet hatten. Allerdings waren es auch nicht immer alle gewesen. Es hing von der Laune des Lehnsherren oder Lords ab. Beim Nachtisch, den er und Frederieke anschließend aus der Küche holten, fiel Kiras Nervösität endgültig in sich zusammen: Mit einem breiten Grinsen platzierte er eine Schlüssel des von ihr so geliebten Puddings vor ihr. Dea lächelte sie ebenfalls an und sagte: „Mitras hat erwähnt, dass du das gerne magst, stimmt das?“ Kira nickte eifrig. „Das wäre nicht nötig gewesen, aber ja.“ Dea und auch Mitras Vater Marcellus schmunzelten und nickten sich zu. „Doch, das war nötig. Du hast ja nun genug von unseren Geschichten gehört. Den Nachtisch haben wir für dich geplant. Erzählst du uns etwas?“ Ehrfürchtig betrachtete Kira den Pudding und blickte dann in die erwartungsvollen Gesichter rund um den Tisch. Sie spürte, wie sie schon wieder rot wurde. Freude mischte sich mit Verlegenheit. Ihr Herz klopfte heftig. Was sollte sie erzählen? Hmm, es gab eine Geschichte, die ihr ihr Vater nur ein einziges Mal erzählt hatte, ihre Mutter hörte sie nicht gerne, hatte er gesagt. Vielleicht war das hier der richtige Ort?
„Mein Großvater Wolf war ein mutiger Mann. Er ist in Silias geboren worden, aber seine Eltern zogen früh mit ihm nach Pasrino. Das Land dort war fruchtbar, doch es zog ihn wie ehemals seine Eltern in die Fremde, in den Norden, in die Sümpfe, um sie urbar zu machen. Also zog er in das neu gegründete Dorf Bispar und erwarb mit seinem ganzen Ersparten etwas Land, dass er bestellen konnte, außerdem bekam er wohl eine Handellizenz vomLehnsherren in Lührenburg. Eines Tages im Herbst war er im Wald unterwegs, als ihn ein Rudel Wölfe angriff. Er verteidige sich mutig, doch sie waren viele. Also floh er auf einen Baum. Er hielt drei Tagen dort oben aus und drei Nächte!“ Valencia riss die Augen auf und schlug sich die Hand auf den Mund. „Hat er überlebt?“ Kira nickte. „Sonst wäre ich ja jetzt nicht hier. Er hat überlebt, weil er gerettet wurde – von einer Frau, die kam und die Wölfe vertrieb. Später hat er sie geheiratet. Boras segne sie.“ Alle am Tisch klatschen leise, wie es üblich war. „Leben deine Großeltern noch, wie meine Oma?“ wollte Valencia wissen. Kira, die diese Frage schon erwartet hatte, zuckte mit den Schultern. „Weiß ich nicht. Mein Vater hat mir die Geschichte nur einmal erzählt, an einem Boras, als meine Mutter mit Torge bei ihren Eltern war, aber wir auf die Rückkehr von Adrian gewartet haben. Ich glaube, meine Großmutter ist früh gestorben, an einer Krankheit. Und mein Großvater, den habe ich nie gesehen und es wurde auch sonst nicht über ihn gesprochen, ich weiß aber nicht, wieso.“ Wenn sie wieder in Burnias war, würde sie ihren Vater fragen, nahm sie sich vor. Warum hatte sie so lange nicht mehr an diese Geschichte gedacht? Eine Frau, die Wölfe vertreiben konnte, die zuvor drei Tage einen erwachsenen Mann auf einem Baum festgehalten hatten – klang das nicht sehr nach einer magischen Begabung? Seltsam, dass ihr das nicht vorher eingefallen war. So betrachtet, stammte ihre magische Begabung von ihrer Großmutter, die gestorben war. Sie würde nach dieser Wahrheit suchen, sobald es ihr möglich war. In Gedanken versunken aß sie den Pudding und lauschte nur mit halben Ohr der Geschichte, die Valencia nun über ihren anwesenden Großvater erzählte, sehr zu dessen Erheiterung.
Mitras horchte bei Kiras Geschichte auf. Wie er schon früher vermutet hatte, könnte das die Lösung sein, ein starkes magisches Erbe seitens der Großmutter. Aber es warf viele Fragen bezüglich der Hexen der Skir auf. War Kira dort auch ein Ausnahmetalent oder eher die Norm? Waren ihre Hexenfähigkeiten bereits an ihrem Maximum oder genauso wie ihre gildenmagischen Fähigkeiten gerade erst am Anfang der Entwicklung? Und was sagte das über die Fähigkeiten der anderen Skirhexen aus? Im Krieg waren die Hexen nur selten in Erscheinung getreten, dann aber wohl als sehr mächtige Gegner. Er würde sich da doch einmal tiefer mit beschäftigen müssen und er musste herausfinden, ob Kiras Großvater noch lebte. Er war ihre beste Spur. Diesmal würde er sich aber erst mit Kira absprechen, bevor er wieder hinter ihrem Rücken Nachforschungen anstellte. Aber für heute wollte er daran nicht mehr denken, sondern für Familie und Kira da sein und von ihr Kraft erhalten, so wie dieser Tag auch gedacht war.
Der restliche Nachmittag verlief ereignislos und sehr entspannt. Kira wurde zunehmens entspannter und öffnete sich mehr und mehr der Familie. Sie erzählte seinen Eltern wie sie Sebastian kennen gelernt hatte, was seine Eltern mit Wohlwollen quitierten und ihr von der langen Freundschaft der Familien Venaris und di Ferrus berichteten. Während Mitras sich später mit seinem Vater unterhielt und mit ihm seine Pläne rund um die Resourcenbeschaffung für den Generatorbau diskutierte, räumten seine Mutter und Frederike in der Küche auf und Kira spielte mit den Kindern. Mitras sah wie sie ihnen einige Zauber vorführte, auch den Prallzauber, mit dem sie eine Holzkugel herumspringen ließ. Die Stimmung war gelöst und heiter. Zum Abschluss gab es sehr zu Mitras Freude einen Nusskuchen. Seine Mutter buck diesen immer selbst und er liebte ihn wie kein anderes Gebäck. Satt und zufrieden brachen die beiden zu Fuss auf. Es war wärmer geworden und die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herunter. „Perfektes Wetter, aber das war zu erwarten.“ sagte er mehr zu sich selbst. „Warum zu erwarten? Ich meine, ja, es ist schön wie lange nicht mehr, aber ist das Wetter hier auf der Hochebene so vorhersehbar?“ Mitras lachte. „Wenn die Gilde der Elementarmagie es will, ja. Und heute haben sie Großes vor, da überlassen sie nichts dem Zufall.“ Kira blickte ihn erstaunt an, „Sie verzaubern das Wetter extra für heute? Ist das nicht verdammt aufwendig und eigentlich auch teuer? Ich habe von diesen Zaubern gelesen und auch davon, was die Magier schon für eine kleine Regenwolke nehmen, aber nach dem Wetter der letzten Tage zu urteilen und wie der Himmel heut aussieht…“ „Ja, Kira, du wirst heute in einem Radius von 50 Kilometern keine Wolke am Himmel finden und wahrscheinlich liegen wieder ein paar Elementarmagier im Lazaret, weil sie sich übernommen haben. Aber wenn es um ihre eigenen Belange geht, scheuen sie keine Mühe.“ „Und was haben sie heute vor?“ „Hat dir Sebastian nichts erzählt? Und die Kleinen haben sich auch nicht verplappert? Sehr gut,“ Mitras kicherte vergnügt. „Tut mir leid, Kira, aber das ist eine Überraschung.“
Zuhause waren sie alleine, was Kira nicht überraschte – William hatte ihr erzählt, dass er ausgehen würde und gescherzt, dass er sie mitnehmen würde, wenn sie nicht adelig wäre. Sie war recht froh, dass sie nicht mit musste, aber war sehr neugierig, was für eine Überraschung es noch geben würde. Mitras war locker und entspannt wie selten und sie genoß seine Nähe, ebenso, wie sie zu ihrer eigenen Überraschung den restlichen Tag genossen hatte. Heimlich überlegte sie, ob sie ihn wieder küssen würde können. Das wäre wie Sahne auf der Torte… er hatte ihr gesagt, sie solle sich etwas bequemes anziehen, also wechselte sie in eines der alten Kleider aus Burnias, ein einfaches Hauskleid, was man wie einen Mantel vorne knöpfen konnte und das aus weicher, dünn gewebter Wolle war. Sie hatte es bisher nicht angezogen, weil es ihr zu ärmlich und locker erschien, aber als sie jetzt vor dem Spiegel stand, ihren Zopf öffnete und sich ihre dunkelroten Haare über den hellgrünen Stoff ringelten, sah es ihr gar nicht mehr zu schlicht aus, sondern einfach wie ein bequemes Kleid für einen schönen Abend mit einem vertrauten Freund. Sie seufzte. Einem Freund, für den sie so sehr schwärmte, dass allein der Gedanke, neben ihm zu sitzen und sein Lächeln zu sehen, leichtes Kribbeln in ihrer Magengegend auslöste. Hmmm… hoffentlich hatte Sebastian Recht damit, dass er ihr nächste Woche helfen konnte, ein bisschen verführerischer zu sein. Denn egal wie bequem dieses Kleid war – wie eine verführerische Frau sah sie darin nicht aus, eher wie ein junges Mädchen vom Land. Sie straffte ihre Schultern. Nun, immerhin war sie eine junges Mädchen vom Land und auch wenn dunkle Ecken ihres Bewusstseins wohl heimlich hofften, mehr als nur einen Kuss an diesem besondern Abend zu bekommen, es war sicher noch nicht die Zeit dafür und sie würde sich den wunderschönen Tag nicht mit Hoffnungen oder Sehnsüchten verderben lassen. Sie blickte auf den Beutel, den Frederieke ihr hatte senden lassen. Bisher hatte sie den Tee nicht getrunken, aber, gemessen an den Gedanken, die sie ganz eindeutig hegte, war es sicher besser, damit mal zu beginnen. Sie nahm ihn mit in die Küche und bereitete sich eine kleine Tasse Tee zu, mit der sie in den Wintergarten ging. Mitras war nirgendwo zu sehen, vermutlich war er in seinem Zimmer. Der Wintergarten war schon recht dunkel, die Sonne ging ja bereits unter und die nach Osten ausgerichtete Glaswand lag schon lange im Schatten. Nachdenklich betrachtete Kira, wie die Blüten des Oleanders sich langsam schlossen, bereit für die Nacht. Sie strich sanft mit dem Finger über eine von ihnen, öffnete ihre magischen Sinne und hatte beinahe das Gefühl, ganz leichte Strömungen in ihr zu sehen, die wie das Licht der Sonne nun langsam erloschen. Es war so still und friedlich, dieses Zuhause, was sie jetzt hatte. Endlich ein Zuhause. Sie spürte, wie ihr eine Träne die Wange herunter lief, so dankbar war sie.
Mitras war, nachdem Kira in ihr Zimmer gegangen war, um sich umzuziehen, noch einmal nach oben gegangen, um auf der Terrasse noch einmal nach dem Rechten zu sehen und die letzten Vorbereitungen zu treffen. Als er wieder herunter kam, blickte er verstohlen nach links und rechts. Kira war nirgends zu sehen und er schlüpfte schnell in sein Zimmer, sich wie ein kleines Kind über seinen Streich freuend. Er zog sich schnell etwas bequemeres an, seine Festagskleidung war für den Abend gänzlich ungeeignet. Eine einfache schwarze Stoffhose, dazu ein schlichtes weißes Hemd mit mittlerer Knopfzeile. Er blickte zur Uhr, es war kurz nach 18 Uhr, noch zwei Stunden. Er ging schnell hinunter ins Esszimmer und griff sich den dort bereitstehenden Korb. William hatte alles zu seiner Zufriedenheit vorbereitet. Schnell und so leise wie möglich huschte er wieder nach oben, stellte den Korb schon einmal auf der Treppe ins Dachgeschoss ab und ging zu Kiras Tür. Er klopfte, „Kira?“. Keine Reaktion. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Schnell ging er zur Bibliothek hinüber, aber auch hier war sie nicht. Er hatte unten gar kein Licht gesehen, wunderte er sich, aber wenn sie weder in ihrem Zimmer noch in der Bibliothek war, dann konnte sie eigentlich nur im Wintergarten sein. Er ging wieder hinunter und öffnete die Tür zum Salon. Es war dunkel im Raum, dadurch, dass er auf der Morgenseite des Hauses lag, neigte das Zimmer dazu, abends schnell schattig zu werden. Mitras wunderte sich, dass Kira sich kein Licht angemacht hatte und ob sie denn überhaupt hier wäre. Sie könnte ja auch im Garten sein. Da sah er aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung im Wintergarten. Er hatte sich beim eintreten umgesehen, sie aber nicht bemerkt, wie sie da im Schatten bei dem Oleander stand. Sie schien ihn auch noch nicht bemerkt zu haben und stand mit dem Rücken zu ihm gewandt. Er machte einen Schritt auf sie zu und wollte sich bemerkbar machen: „Kira, hier bist du.“ Sie zuckte zusammen und fuhr herum, mit der Hand noch rasch durchs Gesicht wischend. Hatte sie geweint? „Alles in Ordnung?“, fragte er sorgenvoll. Sie lächelte ihn an, im Schatten konnte er ihre Augen aber nicht ganz sehen. „Ja, bestens.“ Ihre Stimme klang ein wenig belegt, aber sie meinte es ehrlich, er spürte fast Wellen von Freude und Wärme, die von ihr ausgingen. „Gibt es jetzt die Überraschung?“ „Äh ja, ich hatte schon nach dir gesucht.“ Er war erleichtert, wunderte sich aber auch, dass ihre Emotionen heute so regelrecht aus ihr herausströmten. Normalerweise strahlten nur ihre Trauer oder Verletztheit so aus, der Tag musste ihr bisher wirklich sehr gefallen haben. „Wir müssen nach oben. Du bist bisher noch nie im zweiten Stock gewesen oder?“ Sie schüttelte den Kopf und ging voraus, zur Treppe. Rasch ging er ihr hinterher und schon fast tänzelnd überholte er sie auf der Treppe. Nun wieder im Licht der Lampen sah er sie genauer an. Sie trug die Haare offen, was schon selten war, außerdem trug sie eines ihrer alten Kleider. Es sah überraschend gut aus und stand ihr. Zwar nicht in dem Maße wie das wundervolle Kleid, dass sie heute den Tag über getragen hatte, aber für den Zweck war es sehr gut gewählt. Es sah deutlich bequemer als die anderen Stücke aus, war dabei aber immer noch ansehlich. Im Überschwang konnte er es sich nicht verkneifen und sagte: „Gut siehst du aus, das Kleid steht dir und es betont deine Haare sehr gut.“ Sie stolperte fast über die nächste Stufe und blickte scheu an sich herunter, die Wangen färbten sich auf die ihm bekannte Weise von zartrosa zu glühend rot. Er kicherte vergnügt in sich hinein ob ihrer Reaktion.“Fi- findest du?“, fragte sie leise. „Durchaus. Das Kleid ist schlicht und wirkt an dir doch auf eine gewisse Art…“, beinahe wäre ihm ‚anziehend‘ heraus gerutscht. Was dachte er sich nur. Schnell sprach er weiter: „Und wie gesagt, die Farbe bringt deine Haare gut zur Geltung.“ Er machte rasch den letzten Schritt zur nächsten Treppe, schnappte sich schnell den Korb mit einer halben, übertriebenen Drehung und wies nach oben: „Nach dir, oben links.“
Neugierig und immer noch verlegen vom Kompliment ging sie an ihm vorbei und wandte sich nach links. Der niedrige Flur unterm Dachfirst war staubig und kaum erleuchtet, aber nur wenige Schritte vor ihr stand auf der linken Seite ein Tür offen, durch die dämmig Licht fiel – ging es da nach draußen? Sie ging nach vorne und trat staunend auf eine kleine Dachterrasse, die ihr bisher noch nie von unten aufgefallen war. Der größte Teil der Terrasse war von einem mit Polstern belegten, runden Korbgeflecht gefüllt, das an der Rückwand eine halbhohe, gefaltete Wand aus Stoff hatte, die von Metallstäben gehalten wurde – Kira nahm an, dass man die nach oben schieben konnte, so dass sich ähnlich einem Sonnenschirm ein Dach aus Stoff ergeben würde. An der Brüstung davor hing ein kleiner Tisch, umgeben von verschiedenen Pflanzen, die auch aus Töpfen in den Ecken des kleinen Platzes und hängenden Kübeln sproßen, die an verschiedenen Trägern an der Wand und dem First hingen. Es war überraschend warm, was wohl an den drei Heizsteinen lag, die sich dekorativ zwischen den Pflanzen zeigten. Mitras trat hinter ihr durch die Tür und wies mit einer Handbewegung auf die Polster. „Bitte, setz dich!“ Sie klettere hinauf und krabbelte ein wenig vor bis zur Wand, wo die Kissen zu einer Rückenlehne angeordnet waren, um sich dort gemütlich hinzusetzen.
Er stockte kurz, war ihr eigentlich bewusst, wie sie gerade mit ihrem aufreizenden Hintern ihm zugewandt war? Er schüttelte den Gedanken schnell ab, was war nur heute los mit ihm. Den Tag über hatte er nicht mehr an die Küsse von Gestern denken müssen, aber jetzt kam der Eindruck nur um so stärker wieder. Er riss sich zusammen, war das immer noch eine Nachwirkung ihrer Magie? Nein, das kam von ihm. In den letzten Wochen war ihm immer stärker bewusst geworden wie sehr er die intime Nähe einer Frau vermisste. Außerdem war er immer noch durcheinander wegen ihres Kusses nach dem Laden. Er wandte sich ihr zu und konzentrierte sich innerlich so fest es ging und sammelte schnell Magie. Leise, kaum hörbar murmelte er den Spruch und vollführte die eigentlich recht einfachen Gesten hinter seinem Rücken, um dann gespielt lässig die Hand zu heben und mit einem Schnipsen den Zauber auszulösen. Alle bis auf eine Kerze entflammten, diese eine war aber zum Glück hinter Kira, so dass er schnell nachjustieren konnte. Eine Kerze allein war zum Glück nicht so schwer.
Er drehte sich zu ihr und sie spürte einen Hauch Magie an sich vorbei ziehen. Mit einem überlegenden Grinsen schnipste er und um sie herum brannten plötzlich Kerzen, die sie vorher im Halbdunkel zwischen den Pflanzen kaum bemerkt hatte. Eine direkt neben ihm flackerte so hell auf, dass kurz kleine, helle Lichtpunkte vorihren Augen tanzten. Staunend blickte sie sich auf der nun stilvoll beleuchteten, wunderhübschen Terasse um, schaute dann zu ihm und spürte, wie ihr Herz mindestens eine Herzschlag aussetzte, als sie sein stolzes Lächeln und seine blauen Augen sah, die fast funkelten aufgrund der Magie, die er noch in sich hielt. Bei den Geistern, war er schön! Sie spürte, dass sie gleich schon wieder Tränen in den Augen haben würde vor Glück, also schaute sie zur Seite, über die Brüstung der Terasse, wo der klare Himmel sich über den Dächern der Stadt ausbreitete, die ersten Sterne waren bereits zu sehen. „Das ist wunderschön, Mitras. Das ist eine schöne Überraschung.“, sagte sie leise. Er bückte sich und holte aus dem Korb, den er eben die Treppe mit hoch genommen hatte, eine Flasche und zwei Weingläser, von denen er ihr eines weiter reichte. „Das ist nur die Bühne, auf die eigentliche Überraschung müssen wir noch ein bisschen warten, aber ich habe von William ein kleines Picknick für uns vorbereiten lassen, damit wir uns die Zeit vertreiben können.“ Er stellte das zweite Glas auf den kleinen Tisch am Fußende und öffnete die Flasche mit einem kurzen Ruck ohne sie wirklich zu berühren, wieder spürte sie einen Hauch Magie, diesmal deutlich ruhiger, gezielter als eben. Verlegen ließ sie sich von ihm einschenken. Nur die Bühne? Bin ich es wert, dass du dir hier so viel Mühe gibst, dachte sie, traute sich aber nicht, zu fragen. Was hatte er noch alles vorbereitet?
Er spürte einen Hauch von Unsicherheit bei ihr, schob es aber auf ihre immer noch starke Schüchternheit, wenn man ihr etwas Gutes tat. Ihr früheres Umfeld hatte ihr sichtlich nicht gut getan, umso mehr freute er sich, dass ihr der Tag bei seiner Familie so gut gefallen hatte. Er schenkte sich selbst ein, setzte sich und hielt ihr das Glas zum anstoßen hin. „Auf die kompetenteste Schülerin, die ich je hatte.“ Sie stieß mit ihm an, hielt dann aber inne, bevor sie trank. „Ich bin deine einzige Schülerin, oder?“ Mitras lachte, „Ertappt, aber ich denke es wird ein sehr langes Leben erfordern, um eine weitere Schülerin wie dich zu finden.“ Er trank einen Schluck, der kleine Spaß hatte ihn gut abgelenkt, aber er fragte sich wie er den Abend überstehen sollte ohne sich ihr zu sehr zu nähern. Er wollte ihn nicht damit zerstören, dass er ihr durch eine Aufdringlichkeit zu viel die Überraschung verdarb, oder gar den Tag versaute.
Kira lehnte sich zurück und nippte an ihrem Wein. Ein langes Leben mit ihm an ihrer Seite… Wie sollte sie nur diesen Abend überstehen, ohne sich ihm zu sehr zu nähern? Sie wollte ihn küssen, in seinem Arm liegen, alles kribbeln spüren… aber sie wollte ihm nicht zur Last fallen. Wahrscheinlich lag es an diesem speziellen Tag, an diesem Abend, dass die Gedanken daran so stark waren. Kurz dachte sie an den Kuss von gestern abend, wie stark sie sich gefühlt hatte. Hmmm. Verstohlen sah sie aus dem Augenwinkel zu ihm herüber. Ein weiterer Kuss als Dank für was auch immer er sich für sie noch ausgedacht hatte war angemessen für eine gute Freundin, oder? Immerhin hatte er gesagt, dass er die Küsse genossen hatte. Sie lächelte in sich hinein. Ja, das war ein guter Plan.
Um sich abzulenken, fing er an das Picknick vor ihnen auszubreiten. Er reichte ihr eine der kleinen Pastetchen und fragte, der Borastradition folgend: „Auf das Neue, das du dir vornimmst. Was wünscht du dir denn?“ Kira nahm das Gebäck und dachte einen Moment lang versonnen nach. „Ich weiß nicht so genau, es ist so wundervoll, wie es jetzt ist. All die Jahre habe ich mir gewünscht, von meiner Mutter wegziehen zu können und jetzt sitze ich hier in diesem neuen, unglaublich schönen Leben. Sich mehr zu wünschen, erscheint mir fast anmaßend… Was wünscht du dir?“ Mitras dachte kurz nach und schluckte alles hinunter, was ihm zu ihr in den Sinn kam. „Nun, dank dir komme ich jetzt endlich mit dem Generator voran und mit der gewonnenen Zeit kann ich endlich all die Fehlschläge davor genauer untersuchen, woraus sich wiederum neue Erkenntnisse gewinnen lassen. Ich glaube das nächste Jahr wird viele spannende Erkenntnisse mit sich bringen. Ich fürchte nur, dass ich dich um deinen Lieblingsbibliothekar bringen werde.“ Überrascht blickte sie ihn an. „Sebastian?“ „Ja, ich habe vor ihn zu meinem Geschäftspartner zu machen. Marcus ist ja schon von seinem Vater fest eingespannt und Sebastian ist der nächstvertrauenswürdige Mensch, der uns einfällt.“ Sie pfiff leise. „Oha. Ich glaube, das wird ihn aber nicht stören. Er mag Arbeiten eigentlich, glaube ich. Warum nimmst du ihn mir damit weg? Er wird dann doch eher öfter hier sein.“ „Ja, das stimmt, aber in der Bibliothek wird er dann nicht mehr arbeiten.“ Kira lächelte. „Mal sehen. Ich vermute, es gibt einige Gründe, warum er dort ist, nicht nur die Arbeit. Was planst du für ein Geschäft aufzubauen?“ Entspannt lehnte Mitras sich zurück und begann, ihr von seinen Plänen zu erzählen – die waren zwar noch reichlich wage, aber es machte ihm Freude, mit ihr gemeinsam zu planen, zu träumen. Sie war eine aufmerksame Zuhörerin und er genoß die Zeit, so dass er beinahe verpasst hätte, rechtzeitig zu beenden. Das leichte Zischen des ersten Zaubers riss ihn aus den Gedanken, wie er die Produktionsstätten auf Silias und Berg ausdehnen könnte.
Mitras unterbrach sich plötzlich mitten im Satz, grinste und setzte sein Glas ab. „Ich glaube, es ist Zeit für die Überraschung.“ Er deutete in Richtung des Sternenhimmels über der Stadt. „Schau mal da hin.“ Kira drehte den Kopf gerade noch rechtzeitig, um plötzlich am Nachthimmel einen riesigen Berglöwen aufflammen zu sehen, begleitet von einem lauten Glockenschlag. Sie zuckte zusammen, doch dann löste sich der Löwe in einen Regen aus goldenen Lichtern auf, die wieder zusammenfanden, Blumen und Schmetterlinge bildeten, tanzten, glimmen und glommen über den klaren Nachthimmel. Kira rutschte auf der Sitzfläche nach vorne, bis sie aufstehen konnte und ganz über die Brüstung sehen konnte. Was für ein Schauspiel! Ihr war nach den ersten Sekunden sofort klar, wer dieses Feuerwerk machte, Mitras hatte ja gesagt, dass die Elementarmagier extra das Wetter hierfür beeinflusst hatten. Aber das tat ihrem Staunen keinen Abbruch. Immer neue, große, bunte Formationen bildeten sich über der Altsstadt. Schließlich sanken all die vielen Tiere und Pflanzen herunter und Kira wollte sich schon zu Mitras umdrehen, als ein leichtes Zischen sie sich wieder zur Stadt drehen ließ. Wieder erschien der Berglöwe, begleitet von einem weiteren Glockenschlag. Dann erhob sich kurz ein Wirbel von Lichtern, um sich kurz danach aufzulösen und sich in eine männliche Gestalt zu verwandeln, die über die Stadt wanderte. Staunend ob der Details, die sie selbst aus dieser Entfernung noch sehen konnte, lies sich Kira auf die Kante des Polsters sinken, die Hände noch an der Brüstung, und verfolgte nun gespannt, wie neue Figuren auftauchten und am Himmel pantomimisch eine Geschichte erzählt wurde – offenbar eine der Legenden um Uldum, bei der es darum ging, wie dieser Mann – vermutlich ein König – die Stadt während eines Feuers beschützte und anschließend wieder aufbaute. Die Magier hatten sich sehr in die realistische Darstellung der Flammen vertieft, die eine nach der anderen von der Lichtgestalt ausgepustet wurden. Die Geschichte musste, gemessen an den dargestellten Kleidungsstücken, sehr alt sein. Zum Abschluss tauchte wieder der Berglöwe auf, diesmal begleitet von kleineren, etwas unkoordinierten Figuren, teilweise waren es nur Funken und Lichtstreifen. Nach und nach sanken diese zu Boden oder erloschen und dann machte der Löwe eine brüllende Bewegung, ein Luftzug traf Kiras Gesicht und wirbelte ihre Haare auf und mit einem Schlag war es dunkel, man hörte nur Jubelrufe und Klatschen aus den Straßen und den umliegenden Häusern. Kira bewegte sich nicht, zu ergriffen von dem, was sie eben gesehen hatte. Wie majestätisch, wie unglaublich. Ja, jetzt, wo sie darüber nachdachte, erinnerte sie sich, von solchen Feuerwerken bereits gelesen zu haben, sogar von einem in Uldum, das in der Zeitung beschrieben worden war. Aber die Beschreibung hatte bei weitem nicht so beeindruckend geklungen wie das, was da eben am Himmel zu sehen gewesen war.
Mitras war einigermaßen überrascht, das Feuerwerk war schön wie immer, aber normalerweise bezog sich das Borastagsfeuerwerk immer auf das Haus Leonidas. Nicht zwangsläufig auf deren Königszeit, aber die Familie war eine der älteren Albions, mit Wurzeln im alten Reich. Aber die Sage, die hier erzählt worden war, bezog sich auf einen der alten Magierkönige, der ein großes Unglück verhindert hatte. Mitras konnte sich aber beim besten willen nicht mehr an den Namen erinnern. War aber auch egal, dachte er sich. Kira hatte das Feuerwerk komplett in den Bann gezogen, amüsiert und zufrieden sah er ihr zu, wie sie immer noch auf der Kante saß. Mitras musste sich eingestehen, dass sie wiederum ihn sehr in ihren Bann gezogen hatte. Diese wunderbare Mischung aus geradezu kindlicher Begeisterungsfreude auf der einen Seite und dann doch dieser gelehrige Wissensdurst und der Ideenreichtum auf der anderen Seite. Sie war schon etwas besonderes. Und dann dieses rote Haar, wie es gerade ihren Rücken herunter floss und im Schein der Kerzen leuchtete. Allgemein bot sie von hinten einen herrlichen Anblick, ihr gerader Rücken hatte von den Schultern runter zu ihren Hüften eine gleichmäßige konkave Form. Er merkte, wie seine Gedanken immer weiter in eine Richtung abdrifteten, in die er gar nicht wollte. Wobei, war das wahr? Wollte er wirklich nicht über die Möglichkeit nachdenken? Kiras Küsse waren alles andere als unschuldig gewesen, was, wenn sie doch mehr wollte? Aber was war, wenn sie dann auch gleich zu viel wollte? Sie war ein wunderbares Mädchen, das an der Schwelle dazu stand eine wunderbare Frau zu werden und er wäre sicher nicht der erste Mentor, der seiner Schülerin verfallen war und umgekehrt gab es auch genügend Mentorinnen, deren Schüler plötzlich noch eine ganz andere Rolle spielten. Ein Teil von ihm dachte sich, dass sie eigentlich ideal war, aber im gleichen Moment erschrak er vor dem Gedanken, gerade jetzt, wo der Erfolg so nahe war, kam auch die Gefahr immer näher. Die Di Porrums würden Kira sofort ins Visier nehmen und Thadeus würde ihr in der Schule das Leben zur Hölle machen. Und außerdem, hatte Betina ihn damals in der Schule nicht genauso leidenschaftlich geküsst, nur um dann ein paar Tage später eine Liaison mit Marius einzugehen? Was sagte so ein Kuss schon über Gefühle aus? Was sagten seine Gedanken über seine eigenen Gefühle aus? Er hatte sich schon länger eingestanden, dass er sie begehrte. So eine schöne, ihm zugewandte junge Frau nach nunmehr fast drei Jahren Abstinenz um sich zu haben… Vielleicht war es genau das, was Thadeus sich erhofft hatte, eine Ablenkung, eine Stolperfalle, um seinem ungeliebten Schüler den Ruhm zu verwehren? Hatte er so etwas nicht auch schon am ersten Tag gedacht?
Kira drehte sich zu Mitras um, erfüllt von Staunen und einem Gefühl von unglaublich viel Glück. Er saß im Halbdunkel, an die Rückwand ihrer Sitzplattform gelehnt, und sah sie nachdenklich an, fast etwas grüblerisch. Verunsichert kletterte sie zu ihm hinauf und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben ihn, das Gesicht zu ihm gewandt. Er wirkte nicht so, als ob ein Kuss gerade eine gute Idee wäre, sie würde ihren Plan anpassen müssen. „Danke, das war wundervoll!“, sagte sie. „Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst so nachdenklich?“ Sie bemühte sich, ihr freundlichstes Lächeln aufzusetzen. Ihn anzufassen und so etwas von ihren positiven Gefühlen an ihn zu geben, wagte sie nicht, aber sie versuchte zumindest ein wenig ihres Glücks auszustrahlen, ihm zu schenken. Immerhin hatte er sich all diese Mühe gemacht, um ihr hier oben einen tollen Abend zu machen und ihr das Feuerwerk zu zeigen. Er schwieg einen Moment, und sie aktivierte ihre magische Sicht, um seine Aura lesen zu können. Ziemlich bunte Schlieren waren das! Rot, Aufregung oder Ärger, grün, Freude, ein wenig rosa oder lila – wofür stand die Farbe? Die kannte sie noch nicht. Und, ganz fein, ein blaues Glitzern. War er einsam? Im Augenwinkel sah sie die goldenen Fäden, ganz leicht, die ihr auch oft beim Laden aufgefallen waren, sie hatten wohl etwas mit ihrem eigenen Magiewirken zu tun und tauchten immer auf, wenn sie sich intensiv auf ihn einstimmen wollte. Auch sonst war die Luft reichlich voll mit Magie, teilweise schwebten ganze Schwaden wie leicht glimmender Staub an ihnen vorbei, das kam bestimmt vom Feuerwerk. Unsicher sah sie Mitras an, was sollte sie jetzt machen?
Mitras schreckte auf, wann hatte sie sich neben ihn gesetzt? Sie hatte was gesagt. „Entschuldige, ich war wohl gerade ziemlich in Gedanken versunken. Was hattest du gesagt?“ Er spürte, wie nun ausnahmsweise er einmal errötete. Sie sah besorgt aus: „Ich sagte, danke, das war wundervoll. Und dann habe ich gefragt, ob alles in Ordnung bei dir sei?“ Mitras fühlte sich ertappt und nicht zu unrecht: „Ja, es war wundervoll. Es hat mich nur gewundert, dass die dargestellte Geschichte sich nicht um das Königshaus und seine Vergangenheit drehte. Normalerweise ist das beim Boras Feuerwerk immer der Fall.“ Kira schaute ihn einen Moment lang an und er realisierte am Glitzern in ihren Augen, dass sie vermutlich ihre magische Sicht aktiviert hatte. Das Lächeln verschwand kurz, um dann zurück zu kehren, und sie sagte: „Es ist auf jeden Fall eine Geschichte Uldums gewesen, oder? Und ich fand, sie passte gut zum Boras, dieser alte Mann da hat ja quasi auch aus der Asche etwas neues gemacht, also da, wo er sie nicht gleich hat stoppen können. Ich finde es beeindruckend, dass sie sogar Aschehäufchen nur mit Licht malen konnten!“ Ihre fast kindliche Freude und ihr Staunen klangen klar durch ihre Stimme heraus und Mitras kam nicht umhin, ebenfalls zu schmunzeln. Sie schaffte es immer wieder von hochintelektueller Schülerin zu aufgeregtem jungen Mädchen umzuschalten, teilweise noch im selben Satz. „So betrachtet hast du recht, ja die Geschichte passt gut zum heutigen Tag.“ entspannter fuhr er fort: „Ich weiß nicht mehr wie sie heißt, aber es geht um einen der alten Magierkönige aus der Anfangszeit der Stadt. Ich weiß gar nicht, ob das schon vor der Gründung des Reiches oder in seinen ersten Jahren war. Auf jeden Fall ist die Sage schon sehr alt.“ Kira lehnte sich ein wenig zu ihm, stützte sich mit der Hand dabei ein wenig auf seinem Oberschenkel ab und schaute ihn von unten herauf an, das Licht der Kerzen schimmerte in den immer noch magisch aktiven Augen. „Weißt du, dass dieser Tag einer der besten in meinem bisherigen Leben war?“, sagte sie leise, jetzt ernst geworden. Mitras war gerührt, ja er hatte ihr eine Freude machen wollen, insbesondere weil der Borastag auch ein Familientag war und ihre nun soweit weg war, was bis auf bei Adrian wohl auch ganz gut so war. Aber dennoch war er überwältigt von der Bedeutung, die das für sie hatte. Unwillkürlich nahm er sie in den Arm und zog sie sanft zu sich ran. „Es freut mich, dass es dir gefallen hat. Und ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal war, dass du hier einen wunderschönen Tag hattest.“
Kiras Herz klopfte wie rasend, während sie ihre Beine ausstreckte und ihren Kopf ganz an ihn legte, sich an seine Brust schmiegte. Hmm, er roch so gut. Die goldenen Fäden, die sich um die beiden geringelt hatten, als sie ihn berührte, schwebten nun wie ein dünner Schleier um sie herum und Kira fand, dass es ganz passend war – wie ein Kokon. Wenn es doch nur so bleiben könnte, ganz dicht bei ihm, seine warmen Arme um sie, sein Gesicht über ihr, ihr zugewandt. Alles in ihr schmolz ein wenig und sie zog sich mit den Armen noch etwas dichter an ihn heran. „So lange ich hier bleiben darf, werden es sicher wunderschöne Tage. Hmmm, Mitras…“, ich liebe dich, dachte sie, traute es sich aber nicht, es zu sagen. Stattdessen ließ sie den Kopf in den Nacken sinken, so dass sie mit dem Oberkörper ein wenig in seinen Schoß rutschte, sich drehen konnte und ihn auch ansehen konnte, und schaute in seine klaren, hellen Augen, die im Schein der Kerzen leuchteten.
„Natürlich darfst du hier bleiben.“ Ihr Blick wirkte schon irgendwie erwartungsvoll und Mitras spürte, wie das Verlangen, sie zu küssen, wieder deutlich stärker wurde. War es das, was sie jetzt wollte, oder würde er sie damit nur verschrecken? Seine Zweifel rangen mit seinem Verlangen, aber irgendwas in ihrem Blick war es letztendlich, was ihn dazu brachte einfach den Kopf zu senken und sie zu küssen. Sie erwiderte den Kuss erst zaghaft, dann immer intensiver, und Mitras hatte das Gefühl, als ob plötzlich
tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch explodierten. Sie schloß die Augen, hob die Arme und hielt sich an seinem Nacken fest. Ihre Lippen
prickelten, als sei es wieder sein erster Kuss. Seine rechte Hand, die ihre Hüfte festgehalten hatte, löste sich und glitt über ihren Bauch, als er sich löste und aufrichtete, aber sie zog ihn zu schnell wieder zu sich herunter für einen weiteren Kuss, als dass er sich darüber Gedanken machen konnte.
Die goldenen Bänder verbanden sie beide, Kira spürte, dass die Magie durch sie floß, aber sie war viel zu erregt und zu sehr damit beschäftigt, seine Hand an der Unterseite ihrer Brust zu spüren, seine Lippen auf ihren, seine Zunge an ihrer, um sich über irgendwas mit Magie Gedanken zu machen. Es fühlte sich so gut an. Sie bewegte sich ein wenig, wollte, dass er sie berührte und erschreckte sich dennoch, als seine Hand durch ihre Bewegung über ihre Brust strich.
Unerwartet bewegte sie sich und plötzlich rutschte seine Hand auf ihre Brust. Der Stoff zwischen seiner und ihrer Haut verbarg nicht viel und er konnte ihre Konturen deutlich spüren, ebensowenig, wie er die Tatsache verbarg, dass ihr Nippel fest gegen seine Hand drückte. Seine Erregung flutete durch ihn hindurch wie eine Welle und er spürte, wie seine Hose eng wurde. Kira zuckte zusammen und öffnete die Augen, aber ihr Blick enthielt dieselbe Mischung aus Scheu und Begierde wie in seinem Traum, und so blickte er sie einfach nur an, gebannt und erregt zugleich.
Kira spürte, wie Erregung in Wellen durch sie flutete. Es fühlte sich unbeschreiblich an. Sie öffnete die Augen, sah in seine und sah seine Erregung, seine Verunsicherung, konnte sie spüren wie beim Magietransfer, klarer noch. Er wollte ihr nicht schaden, nicht weh tun. Hmmm, seine Hand war heiß. Vorsichtig hob sie ihre Hand und legte sie auf seine, drückte ein wenig zu, drückte sich selbst in seine Hand hinein und genoß das Kribbeln, das von ihrer Brust über ihren ganzen Körper lief.
Kira musste seine Verunsicherung gemerkt haben und hielt ihn fest. Sanft drückte er nun zu, spürte ihre weiche Rundung ganz in seiner Hand. Er massierte sie zärtlich und verschob dabei seine Hand langsam so, dass er ihren Nippel zwischen seine Finger bekam. Überrascht stöhnte sie auf, was ihn anspornte intensiver damit zu spielen. Der Stoff ihres Kleides verhinderte aber, dass er ihn vollständig zufassen bekam. Ihr Kleid war vorne geknöpft, wie praktisch, schoß es ihm durch den Kopf.
Ein vorne geknöpftes Kleid. Am Borastag. Mit zitternden Fingern schob sie ihre Hand zwischen sich und ihn, auf die Knopfleiste, an die Mitras eben gedacht hatte. Warum wusste sie, was er dachte? Sie griff einen Knopf auf Höhe ihres Bauchnabels, drehte ihn langsam, schob ihn durch das Knopfloch und spürte plötzlich, wie Mitras sich ein wenig von ihr entfernte, sich aufrichtete, um zu sehen, was sie tat.
Er sah ihre Unsicherheit, nein, er sah sie nicht nur, er spürte sie und ihre Angst. Aber auch Verlangen. Warum fühlte er, was sie fühlte? „Bist du sicher?“, fragte er leise, und war erstaunt, wie sehr seine eigene Stimme zitterte. War er überhaupt sicher?
Sie sah ihn an und spürte, wie alles in ihr brannte vor Erregung, die sie beide empfanden. Wollte sie das wirklich? Heute nachmittag hatte sie noch davon geträumt. Jetzt… es war so real und so unwirklich zugleich, in diesem Käfig aus goldenen Bändern. Seine blauen Augen so dicht vor ihr. Sie liebte ihn. Er würde sie nicht verletzen, oder? Ihre Hand knöpfte den nächsten Knopf auf, ohne dass sich sich dessen ganz bewusst war.
Sein Blick verfolgte, wie sie statt einer Antwort weiter ihren Bauch entbößte, und mit vor Erregung leicht zittrigen Händen griff er zu ihr herunter und machte sich am obersten Knopf zu schaffen, während sie bereits den zweiten Knopf von unten öffnete. Den ersten Knöpfen folgten weitere und langsam näherten sich ihre Hände an, bis er den letzten erreicht hatte und auch ihn öffnete. Langsam schob er das Oberteil mit beiden Händen auf und glitt dabei sanft über ihre beiden Brüste. Wohlig seufzend erschauderte sie unter seinen Bewegungen und er konnte nicht anders, beugte sich vor und küsste erst die linke und dann die rechte Brust, um dann seine Lippen zu ihrem Hals wandern zu lassen. Er fand ihren Mund und hob sie leicht an. Während ihre Münder sich trafen, hielt er sie mit beiden Armen fest an sich und fühlte wie das Kleid nach unten rutschte.
Die Luft strich kurz über ihre nackte Haut und ließ sie zusätzlich schauern, doch sein fester, warmer Griff und der Kuss verwischten dieses Gefühl sofort wieder. Ihre Arme wurden durch den rutschenden Stoff ein wenig an ihren Körper gedrückt und sie schob sich ein Stück nach oben, um sie aus den Ärmeln zu ziehen. Das Kleid rutschte ganz auf ihre Hüfte. Sie legte die Arme um Mitras und drückte sich an ihn, jetzt wieder halb neben ihm sitzend. Oh, jetzt… was, wenn ihm nicht gefiel, wie sie aussah? So besonders schön oder groß waren ihre Brüste nicht, oder?
Mitras holte Luft, nachdem die erste Welle der Begierde abebbte. Behutsam beugte er sich vor, legte sie auf dem Polster ab und ließ seinen Blick über sie schweifen, begierig jedes Detail aufsaugend. Der Blick durch den Spiegel war nie vollkommen klar und sie meistens weiter weg. Nun sah er sie das erste Mal wirklich aus der Nähe und musste feststellen, dass sie so noch viel bezaubernder aussah. Ihre Haut war glatt und fast weiß, was ihre hellroten Brustwarzen nur noch mehr hervor hob. Ihr flacher Bauch war nicht mehr so dürr, sondern glatt, gleichzeitig weich und fest. Er konnte nicht anders, mit einem gesäuselten „Wunderschön…“ strich er ihr wieder über die linke Brust und fing an sie zu liebkosen.
Sie konnte spüren, wie ihre Anspannung sich in Wellen von Erregung auflösten, die seine Hände und Lippen durch ihren Körper schickten. Wunderschön. Er hatte es fast lauter gedacht, als gesagt. Sie krallte sich am Stoff seines Hemdes fest, stöhnte und versuchte, sich wieder gegen ihn zu drücken. Wo war der warme Körper? Etwas raschelte, und dann spürte sie, wie er sich wieder über sie beugte, jetzt neben ihr kniend. Ihre Hand lag auf Höhe seines Schrittes. Sehr gespannter Stoff. Sie linste hinunter. Wie fasst man einen Mann an? Vorsichtig, zaghaft hob sie die Finger und legte sie leicht auf die Wölbung in seinem Schoß. Heiß. Kribbeln lief ihren Rücken herunter und sie konnte nicht sagen, ob es seine Eregung war oder ihre eigene, die sie wahrnahm, alles mischte sich wie Farbschlieren in ihrem Kopf.
Diese seichte, eigentlich kaum wahrnehmbare Berührung war schon fast zu viel für ihn. Er stöhnte vor lange zurück gehaltener Erregung kurz laut auf, ergriff dann aber sanft ihre Hand und schob sie kurz zurück, um mit der anderen seine Hose zu öffnen. Sie rutschte ein stück weit herunter und er streifte sie zusammen mit seiner Unterhose weiter herab. Er führte ihre Hand wieder zu sich heran, bis sie ihn fast berührte und ließ dann los.
Sein Glied war anders, als sie es sich vorgestellt hatte, irgendwie hatte sie immer gedacht, ein Penis wäre mehr wie ein Eichelpilz, die hießen ja deswegen so. Aber er war gerade und… sie reckte die Hand und strich sanft an der Haut entlang… hart, und weich zugleich, heiß, und an der Spitze, die viel weniger hervorstand, als sie es vermutet hatte, glänzte er. Sie legte die Hand vorsichtig um ihn, er ragte ein ganzes Stück heraus, so groß. In einer Ecke ihres Bewusstseins merkte sie, wie Mitras zitterte und Wellen rauschten plötzlich so stark in ihren Ohren, dass sie ihn losließ und verunsichert anschaute. War alles in Ordnung?
Bevor sie weiter machen konnte, rutschte er ein Stück nach hinten und ergriff den Saum ihres Kleides und schob es hoch. Mit beiden Händen am Stoff und mit der Hose in den Kniekehlen war die Bewegung jedoch nicht so leicht und er rutschte nach vorne. Gerade noch rechtzeitig fing er sich ab und brachte sein Gesicht dicht vor dem ihren zum halten. „Hoppla, das war etwas stürmischer als geplant.“ keuchte er, um sich danach weiter herunter zu beugen und sie erneut zu küssen. Ohne es zu merken drückte er dabei sein Glied in ihren Schritt, was sie verunsichert aufkeuchen ließ.
Die Gedankenschlieren in ihrem Kopf wirbelten heftig durcheinander. Sie wollte… würde er ihr wehtun? Sie öffnete die Augen und schaute ihn an. „Mitras…“ Sie öffnete die Beine ein wenig, so dass er mit den Knien nach unten rutschte und nun zwischen ihren Beinen kniete.
„Kira…“ Er betrachtete ihre Beine, muskulös und feminin zugleich, wie nicht anders zu erwarten bei einem Mädchen, das viel durch den Wald lief. Hier und da war die Makellosigkeit ihrer Haut von der einen oder anderen leichten Narbe unterbrochen. Aber das Gesamtbild wie sie mit entblöstem Oberkörper und nackten Beinen vor ihm lag, viel fehlte nicht mehr. Er legte seine Hände auf ihre Oberschenkel und ließ sie langsam nach unten gleiten, was sie mit einem entzückenden, langezogenen Stöhnen quitierte. Für einen Moment verwischte sich seine Wahrnehmung und er hatte kurz das Gefühl, er läge dort und jemand streiche ihm über die Beine, aber es war nur einen Bruchteil einer Sekunde.
„Mitras, ich… hmmm… magst du mich?“ Er blickte sie kurz überrascht an „Natürlich.“ Ein heftiger Schwall Magie rauschte plötzlich durch sie hindurch, begleitet von der Zuneigung, die sie für ihn empfand. „Wirst du mich beschützen, was auch immer geschieht?“ Was waren das für Worte? Die kamen aus der Magie, oder war es ihre Angst? Nie wieder von ihm getrennt sein, nie wieder Angst haben. Ihn ganz nah bei sich haben… ihr Schoß brannte vor Erregung, und in seinen Augen, seinen Gedanken, die irgendwo neben ihren in ihrem Kopf waren, spürte sie seine eigene Erregung. „Natürlich werde ich dich beschützen, du bist meine Freundin und Schülerin, meine Inspiration, kleines Eichhörnchen.“ „Mein Beschützer.“ Irgendwas ruckelte, in der Magie, in ihr, und sie schloß die Arme hinter seinem Nacken, zog ihn wieder zu sich heran, um ihn zu küssen. Die Angst spülte sich in den Wellen der Lust hinweg, als sein Glied über den dünnen Stoff ihrer Unterhose rieb.
Als er sie berührte, war es, als wenn ein elektrischer Funke übersprang. Er stöhnte auf und Magie durchfuhr ihn, stellte die Welt auf den Kopf und ließ die Farben verschwimmen. Das gelbe Licht der Kerzen wurde zu grün, der leinenfarbene Stoff der Kissen nahm ein tiefes Blau an. Am Himmel war es, als wenn ein zweites Feuerwerk entflammte. Kurz kam er wieder zu Sinnen und sah auf sie herab. Die Erregung in ihr brach allen Widerstand in ihm. Behutsam schob er den Stoff beiseite und führte seinen Penis an sie heran. Er spürte ihre feuchte Wärme und drang so vorsichtig wie es ihm in der Erregung des Moments möglich war, in sie ein. „Ja, dein Beschützer…“, keuchte er und spürte, wie alles in seinem Körper explodierte.
Er füllte sie aus, langsam, immer tiefer, Kira krallte die Beine um ihn. Ein stechender Schmerz. Wellen. Wald. Karamell und Nougat auf ihren Lippen. Seine Lippen auf ihren Lippen.
Alles wirbelte. Ihr Körper, nein, sein Körper, wessen Körper begann wo? Er wusste es nicht mehr.
Erregung, die mit jedem Stoß zunahm. Mehr. Sie schwebte. Und war doch fest unter ihm.
Wellen, schnellere Wellen. Brechen. Sie schrie. Er keuchte, spürte den Orgasmus in jeder Faser ihres…seines Körper, spürte, wie er all die aufgestaute Energie in sie hinein pumpte, wie sie zuckte um ihn, spürte, wie er langsam neben ihr auf das Kissen sackte.
Wellen, die sanfter rauschten. Kira schlug die Augen auf. Sie stand am Ufer eines kleines Sees, umgeben von Wald.
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